Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
die Lande reisen, sollten Sie sich lieber mal dieses Gemälde vom Arm entfernen lassen. Soviel ich weiß, ist das möglich. Das Nachtätowieren mit Fleischfarbe ist, glaube ich, die einfachste Methode.«
»Oh!« Henry glotzte ihn ein paar Sekunden an; dann breitete sich langsam ein Grinsen über sein Gesicht aus.
»Aha, das hat das kleine Biest also gemeint, als sie sagte, sie hat eine Schlange gesehen. Raffiniert, die Kleine, Wimsey. Daß sie das gemerkt hat!«
»Ich darf doch bitten!« sagte Wimsey. »Sie werden bitte die Güte haben, von Miss Vane so zu sprechen, wie es sich gehört, um mir den Verdruß zu ersparen, Ihnen die Zähne einschlagen zu müssen.«
»Schon gut, schon gut, ganz wie Sie wollen. Aber das möchte ich doch ganz gern mal sehen.«
»Sie würden nichts davon sehen. Es würde einfach passieren. Aber ich habe keine Zeit für vergleichende Physiologie zu verschwenden. Ich möchte nur wissen, was Sie in dieser Verkleidung in Darley zu suchen hatten.«
»Was geht das Sie an?«
»Nichts. Aber die Polizei könnte sich dafür interessieren. Im Augenblick interessiert sie sich für alles, was Donnerstag voriger Woche passiert ist.«
»Aha, verstehe. Sie wollen mir etwas anhängen. Aber zufällig können Sie das nun mal nicht, und das dürfen Sie sich in die Pfeife stopfen und rauchen. Es stimmt, daß ich unter falschem Namen hierhergekommen bin. Warum nicht? Ich wollte meiner Mutter nicht auf die Nase binden, daß ich hier war.«
»Warum nicht?«
»Na hören Sie mal, mir hat doch diese AlexisGeschichte überhaupt nicht gefallen. Das kann ich gefahrlos zugeben. Ich hab’s Ihnen schon einmal gesagt und kann es ruhig noch einmal wiederholen. Ich wollte herausbekommen, was sich da tut. Und falls diese Heirat wirklich stattfinden sollte, wollte ich sie verhindern.«
»Aber konnten Sie das nicht ganz offen tun, ohne sich die Haare schwarz zu färben und sich diese dunkle Brille aufzusetzen?«
»Natürlich hätte ich das gekommt. Ich hätte das Liebespärchen hier überfallen und großen Krach schlagen und Alexis solche Angst machen können, daß er abgehauen wäre, das traue ich mir schon zu. Aber was dann? Ich hätte fürchterlichen Krach mit meiner Mutter bekommen, und sie hätte mich mit einem Almosen abgespeist. Nein. Ich hatte vor, mich hier ein bißchen umzutun und zu sehen, wie ernst die Geschichte war, und mir gegebenenfalls das Knäblein zu kaufen und mich gütlich mit ihm zu einigen.«
»Dazu hätten Sie aber ein bißchen Kleingeld gebraucht«, meinte Wimsey trocken.
»Da bin ich nicht einmal sicher. Ich habe so ein paar Geschichten über ein Mädchen hier gehört, und wenn das meine Mutter erfahren hätte – nicht wahr?«
»Aha – eine gemäßigte Form von Erpressung. Ich verstehe allmählich. Sie wollten sich in Wilvercombe Informationen über Alexis’ frühere Liebschaften besorgen und ihn dann vor die Wahl stellen, daß entweder Mrs. Weldon davon erfährt und für ihn womöglich gar nichts dabei herausspringt, oder daß er Ihren Spatz in der Hand nimmt und seinen Ruf als treuer Liebhaber dafür opfert. War es so?«
»So war es.«
»Und warum Darley?«
»Weil ich der alten Dame in Wilvercombe nicht in die Arme laufen wollte. Mit einer Brille und einem Fläschchen Haarfarbe kann man vielleicht die Bauerntölpel hier täuschen, aber für das scharfe Auge einer liebenden Mutter, nicht wahr, ist das vielleicht doch nicht so undurchschaubar wie eine Ziegelmauer.«
»Ganz recht. Darf ich fragen, ob Sie bei diesen heiklen Ermittlungen irgendwelche Fortschritte erzielt haben?«
»Nicht viel. Ich bin ja erst Dienstag abend angekommen und habe fast den ganzen Mittwoch am Wagen herumfummeln müssen. Diese Trottel in der Garage haben ihn mir mit einem –«
»Ach ja! Augenblick. War es wirklich notwendig, sich zu all diesen Vorsichtsmaßnahmen auch noch einen Wagen zu mieten?«
»Doch, ja, denn meinen eigenen Wagen hätte meine Mutter erkannt. Er hat eine ziemlich ungewöhnliche Farbe.«
»Sie scheinen sich das alles sehr gut ausgedacht zu haben. Hatten Sie keine Schwierigkeiten beim Mieten? – Ach nein, wie dumm von mir! Der Garage konnten Sie natürlich Ihren richtigen Namen angeben.«
»Hätte ich schon gekonnt, aber ich hab’s nicht getan. Um ehrlich zu sein – na ja! Ich kann Ihnen ja sagen, daß ich einen anderen Namen mitsamt Adresse schon fix und fertig zur Hand hatte und nur hineinzuschlüpfen brauchte. Sehen Sie, ich schleiche mich dann und wann in aller Stille nach
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