Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
Cambridge. Zu einer Frau. Sie verstehen mich. Nettes kleines Frauchen – treu ergeben und so weiter. Hat irgendwo auch einen Mann. Er will sich nicht scheiden lassen, und mich stört das nicht weiter. Soll mir ganz recht sein. Aber auch da wieder – wenn meine Mutter es erfahren hätte – es hatte da schon einmal Ärger gegeben, und damit wollte ich nicht wieder von vorn anfangen. In Cambridge ist alles in Butter – da sind wir Mr. und Mrs. Haviland Martin – alles hochwohlanständig und so weiter, und man kann so leicht mal hinflitzen, wenn man sich ein bißchen nach häuslichem Glück sehnt und so weiter. Sie verstehen?«
»Ich verstehe. Beehren Sie Cambridge auch immer nur verkleidet?«
»Ich setze die Brille auf, wenn ich zur Bank gehe. Einige meiner lieben Nachbarn sind dort auch Kunden.«
»Sie hatten also diese praktische kleine Verkleidung fix und fertig zum Hineinschlüpfen. Ich kann Ihnen nur zu der Zweckmäßigkeit Ihrer Arrangements gratulieren. Sie erfüllen mich mit aufrichtiger Bewunderung, und ich bin überzeugt, daß Mrs. Martin eine sehr glückliche Frau sein muß. Da wundert es mich wirklich, wieso Sie Miss Vane so tatkräftig mit Ihren Aufmerksamkeiten bedenken.«
»Ha, wenn eine Frau es so darauf anlegt – außerdem wollte ich zu gern herausfinden, worauf das Mädchen – ich meine, die Dame – eigentlich hinauswollte. Sehen Sie, wenn man eine Mutter hat, die gut betucht ist, bekommt man manchmal den Eindruck, daß die Leute es ein bißchen darauf abgesehen haben, etwas für sich herauszuschlagen.«
Wimsey lachte.
»Da haben Sie also gedacht, Sie könnten Miss Vane schöne Augen machen, um sie auszuhorchen. Wie sich die Bilder gleichen! Sie hatte nämlich dasselbe mit Ihnen vor. Sie wollte herauskriegen, warum Sie so ungeheuer scharf darauf waren, sie und mich von hier zu verscheuchen. Es wundert mich nicht, daß Sie da beide gar keine Schwierigkeiten miteinander hatten. Miss Vane sagt, sie fürchtet, daß Sie unser kleines Komplott durchschaut haben könnten und sie nur auf den Arm nehmen wollten. So so. Dann können wir uns ja jetzt alle aus der Deckung wagen und ganz offen miteinander reden. So macht es doch viel mehr Spaß, oder?«
Henry Weldon sah Wimsey argwöhnisch an. Er hatte eine dumpfe Ahnung, daß er da irgendwie in eine ziemlich paradoxe Lage gedrängt worden war. Na schön – das Frauenzimmer und dieser schwatzhafte Irre von einem Amateurdetektiv arbeiteten also Hand in Hand. Aber irgendwo hatte er doch den Verdacht, daß dieses Gerede von Offenheit ein bißchen einseitig gemeint war.
»Na ja, das stimmt schon«, antwortete er ausweichend, um gleich besorgt hinzuzufügen: »Aber meiner Mutter brauchen Sie davon nichts zu sagen, verstanden? Sie wäre gar nicht erbaut.«
»Mag sein«, sagte Wimsey. »Aber sehen Sie – die Polizei, nicht wahr? Ich weiß nicht recht – das britische Rechtswesen – die Pflichten des Staatsbürgers und so weiter, nicht? Ich kann Miss Vane nicht daran hindern, zu Inspektor Umpelty zu gehen. Sie ist ein freier Mensch – und wenn ich es richtig sehe, ist sie im Moment nicht so recht von Ihnen begeistert.«
»Ach, die Polizei stört mich nicht.« Henrys Gesicht hellte sich auf. »Vor der habe ich ja nichts zu verbergen. Nicht das mindeste. Wirklich nicht. Sehen Sie mal her – wenn ich Ihnen alles erzähle, könnten Sie es dann nicht einfach an die Polizei weitergeben und dafür sorgen, daß man mich in Ruhe läßt? Sie sind doch so dicke freund mit diesem Inspektor – wenn Sie ihm sagen, daß bei mir alles stimmt, wird er’s Ihnen schon glauben.«
»O ja! Feiner Kerl, dieser Inspektor. Aus dem Nähkästchen plaudern – das macht er nicht. Es besteht auch aus meiner Sicht kein Grund, es Mrs. Weldon zu erzählen. Wir Männer müssen zusammenhalten.«
»Richtig!« Unbeirrt durch frühere schlechte Erfahrungen ließ Henry Weldon sich gleich wieder auf ein neues Schutz- und Trutzbündnis ein. »Also passen Sie auf. Ich bin am Dienstag abend nach Darley gekommen und habe mir die Erlaubnis geholt, am Hinks’s Lane zu kampieren.«
»Sie kannten den Platz schon sehr gut, wenn ich das richtig sehe?«
»War noch nie im Leben da. Warum?«
»Pardon – ich dachte, Sie wollten damit sagen, daß Sie über den Hinks’s Lane schon Bescheid wußten, bevor Sie hinkamen.«
»Wie? Oh! Ja, jetzt verstehe ich, was Sie meinen. Ich hatte den Tip von jemandem bekommen, den ich in Heathbury in einer Wirtschaft kennengelernt hatte. Seinen Namen weiß
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