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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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die ganze Geschichte schon jetzt bei der Voruntersuchung aufrollen oder lieber das komplizierte Gebäude von Anhaltspunkten und Verdächtigungen stillschweigend übergehen und die Verhandlung darüber bis zum Abschluß weiterer Ermittlungen vertagen solle. Am Ende wurde entschieden, die Dinge einfach laufen zu lassen, wie es sich eben ergab. Irgend etwas Nützliches würde vielleicht dabei herauskommen; man konnte nie wissen. Die potentiellen Verdächtigen wußten inzwischen sowieso ziemlich genau, was los war. Bestimmte Indizien – zum Beispiel das Hufeisen – konnte die Polizei ja auf jeden Fall in der Hinterhand behalten.
    Der erste Zeuge, der auftrat, war Inspektor Umpelty. Er erklärte kurz, daß man die Leiche fest eingeklemmt in einem Spalt am äußeren Ende des Mahlzahn-Riffs gefunden habe, von wo man sie nur unter großen Schwierigkeiten mit Hilfe von Hebezeug und Tauchern habe bergen können. Sie sei vermutlich durch den schweren Seegang der letzten Woche an diese Stelle getrieben worden. Als man sie gefunden habe, sei sie durch innere Gase stark aufgebläht gewesen, aber sie sei trotzdem nicht an die Oberfläche gekommen, da sie mit Goldmünzen im Wert von dreihundert Pfund beschwert gewesen sei, die in einem Gürtel steckten. (Sensation.)
    Der Inspektor legte dem Gericht den Gürtel und das Gold (das die Geschworenen neugierig und ehrfürchtig betrachteten) sowie einen bei dem Toten gefundenen Reisepaß vor. Letzterer hatte vor kurzen einen Visumstempel für Frankreich erhalten. In den Taschen des Toten hatte man zwei weitere interessante Artikel gefunden. Der eine war ein ungerahmtes Foto von einem sehr schönen Mädchen russischen Typs mit einem tiaraförmigen Perlenschmuck auf dem Kopf. Das Foto war in einer feinen, fremdartig wirkenden Schrift mit dem Namen »Feodora« signiert. Über seinen Ursprung gab es keine Auskunft. Entweder war es nie gerahmt gewesen oder sehr sorgfältig aus dem Rahmen gelöst worden. Es war noch verhältnismäßig gut erhalten, denn es hatte im Innenfach einer hübschen ledernen Brieftasche gesteckt, wo es bis zu einem gewissen Grad geschützt gewesen war. Die Brieftasche enthielt außerdem nur noch ein paar Geldscheine, ein paar Briefmarken und den nicht benutzten Abschnitt der Rückfahrkarte von Wilvercombe nach Darley Halt, datiert vom 18. Juni.
    Der zweite Artikel war schon rätselhafter. Es war ein beschriebenes Blatt Papier im Schreibheftformat, aber so fleckig von Blut und Meerwasser, daß es fast nicht zu entziffern war. Dieses Blatt war nicht in die Brieftasche eingelegt gewesen, sondern hatte dahinter in der Anzugtasche gesteckt. Was von der Schrift noch zu lesen war, bestand aus lauter Großbuchstaben, geschrieben mit violetter Tinte, die zwar stark zerlaufen war, aber den einwöchigen Aufenthalt im Wasser doch recht gut überstanden hatte. Ein paar Bruchstücke waren zu entziffern, aber das Ergebnis dieser Bemühungen war nicht sehr ermutigend. Da begann zum Beispiel eine Zeile mit dem aufschlußreichen Wort TQHNAIXGM, und der Satz ging weiter mit GROY HALWMNU EH EQGXS, bevor er sich in einem dicken roten Fleck verlor. Weiter unten kam dann ALQBA EI ABABGXIA, während die Schlußworte, die vielleicht die Unterschrift waren, KIHRYKR INMGX lauteten.
    Der Untersuchungsrichter fragte Inspektor Umpelty, ob er imstande sei, in dieses Schriftstück Licht zu bringen. Umpelty antwortete, er glaube, daß zwei der Zeugen dazu in der Lage seien, und trat ab, um Platz für Mrs. Lefranc zu machen.
    Die Wirtin Wundermild, nervös, gepudert und den Tränen nahe, wurde gefragt, ob sie den Leichnam identifiziert habe. Sie antwortete, sie habe dies nur anhand der Kleidung, der Haare, des Bartes und eines Ringes gekonnt, den der Verstorbene stets an der linken Hand getragen habe.
    »Aber zu seinem armen Gesicht«, schluchzte Mrs. Lefranc, »könnte ich gar nichts sagen, nicht mal wenn ich seine Mutter wäre, und dabei hab ich ihn wahrhaftig so lieb gehabt wie einen Sohn. Alles weggefressen von diesen scheußlichen Kreaturen, und wenn ich mein Lebtag noch einmal Krebs oder Hummer esse, soll der Himmel mich mit einem Blitz erschlagen. Wieviel Hummermayonnaise hab ich früher gegessen, ahnungslos, und jetzt kann ich nur sagen, es ist kein Wunder, daß man davon Alpträume bekommt, wenn man bedenkt, wo sie herkommen, diese Biester!«
    Das hohe Gericht schüttelte sich, und die Direktoren des Resplendent und des Bellevue, die der Verhandlung beiwohnten, schickten fliegende Boten zu

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