Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
ihren Küchenchefs mit der Anordnung, Krebse und Hummer für mindestens zwei Wochen von der Speisekarte abzusetzen.
Mrs. Lefranc sagte des weiteren aus, daß Alexis öfter Briefe aus fremden Ländern bekommen und immer viel Zeit gebraucht habe, sie zu lesen und zu beantworten. Nach Erhalt des letzten Briefes am Dienstagmorgen sei er sehr aufgeregt gewesen und habe sich seltsam benommen. Am Mittwoch habe er alle seine offenen Rechnungen bezahlt und eine Menge Papier verbrannt, und abends habe er ihr einen Kuß gegeben und geheimnisvolle Andeutungen über eine eventuell bevorstehende Abreise gemacht. Am Donnerstagmorgen sei er nach einem ziemlich armseligen Frühstück fortgegangen. Er habe nichts eingepackt und seinen Hausschlüssel mitgenommen, als ob er die Absicht gehabt habe, wiederzukommen.
Zu dem Foto: Das habe sie nie zuvor gesehen. Sie habe auch die darauf abgebildete Dame nie gesehen. Sie habe Alexis nie von einer Feodora sprechen hören. Sie wisse von keinen Frauen in seinem Leben, außer Leila Garland, mit der er vor einiger Zeit gebrochen habe, und Mrs. Weldon, der Dame, mit der er zur Zeit seines Todes verlobt gewesen sei.
Das bündelte natürlich die öffentliche Aufmerksamkeit auf Mrs. Weldon. Henry reichte ihr ein Riechfläschchen und sagte etwas zu ihr, und sie antwortete mit einem schwachen Lächeln.
Die nächste Zeugin war Harriet Vane, die eine detaillierte Schilderung von dem Leichenfund gab. Der Untersuchungsrichter befragte sie vor allem nach der genauen Lage der Leiche und dem Zustand des Blutes. Harriet war für so etwas eine gute Zeugin. Ihre Erfahrung als Kriminalautorin hatte sie gelehrt, Details dieser Art im Zusammenhang wiederzugeben.
»Der Tote lag mit angezogenen Knien da, als ob er im Fallen diese Lage eingenommen hätte. Seine Kleidung war in keiner Weise durcheinandergebracht. Der linke Arm war angewinkelt, als ob er die Hand direkt unter die Kehle hätte legen wollen. Der rechte Arm hing gleich neben dem Kopf der Leiche über die Felskante. Beide Hände und Arme sowie die ganze Vorderseite des Toten waren blutbesudelt. Das Blut hatte sich in einer Vertiefung im Felsen unmittelbar unter der Kehle zu einer Pfütze gesammelt und rann, als ich es sah, immer noch den Felsen hinunter. Ich kann nicht sagen, ob die Vertiefung außer Blut auch noch Meerwasser enthielt. Auf der Oberseite des Felsens war kein Blut, auch nicht an anderen Stellen des Körpers, nur vorn und an Händen und Armen. Dem Aussehen nach muß dem Verstorbenen die Kehle in dem Moment durchgeschnitten worden sein, als er sich gerade nach vorn beugte – wie etwa über einem Waschbecken. Als ich die Leiche bewegte, floß das Blut ungehemmt und in großer Menge aus den durchschnittenen Gefäßen. Ich habe nicht darauf geachtet, ob einzelne Blutspritzer schon von der Sonne getrocknet worden waren. Ich glaube es aber nicht, denn die Pfütze Blut und das Blut unter dem Toten waren durch den Körper des Toten vor der direkten Sonneneinstrahlung geschützt. Als ich die Leiche anhob, schoß das Blut heraus, wie ich vorhin schon sagte, und lief den Felsen hinunter. Es war ganz flüssig und lief vollkommen ungehemmt.
Ich habe die Jackenärmel und das Revers und die Handschuhe, die der Tote trug, angefaßt. Sie waren völlig von Blut durchtränkt und fühlten sich schlaff und naß an. Sie waren kein bißchen steif. Auch nicht klebrig. Sie waren schlaff und naß. Ich habe schon blutgetränkte Verbände gesehen und weiß, wie steif und klebrig geronnenes Blut ist. Die Kleider waren nicht so. Sie schienen mit frischem Blut getränkt zu sein.
Der Körper fühlte sich warm an. Die Felsoberfläche war ebenfalls warm, da es ein heißer Tag war. Ich habe den Körper nicht von der Stelle bewegt, nur zuerst ein wenig umgedreht und den Kopf angehoben. Ich bedaure jetzt, daß ich nicht versucht habe, die Leiche weiter zum Ufer hinaufzuziehen, aber ich hielt mich nicht für stark genug, um das richtig zu machen, und ich dachte auch, daß ich schnell Hilfe herbeiholen könnte.«
Der Untersuchungsrichter meinte, das Gericht könne Miss Vane keinen Vorwurf daraus machen, daß sie nicht versucht habe, die Leiche zu bergen, und lobte die Geistesgegenwart, mit der sie die Fotos gemacht und die Beweisstücke gesichert hatte. Die Fotos wurden dem Gericht übergeben, und nachdem Harriet noch die verschiedenen Schwierigkeiten geschildert hatte, die sie überwinden mußte, bevor sie sich mit der Polizei in Verbindung setzen konnte, durfte sie
Weitere Kostenlose Bücher