Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
komischernst herausschaute –, zur Sache vernommen.
»Sie haben also Ihre Wanderung aufgegeben und sind mit dieser jungen Dame nach Darley zurückgegangen«, sagte Konstabler Ormond. »Und warum, bitte, haben Sie das getan, Sir?«
»Ich wollte der jungen Dame nach besten Kräften helfen.«
»Ganz recht, Sir, vollkommen natürlich. Aber in Wirklichkeit konnten Sie ihr natürlich nicht viel helfen.«
»Nein.« Mr. Perkins zupfte am Bettuch. »Sie hatte etwas von Weitergehen gesagt, um die Leiche zu suchen, aber – ich hab natürlich nicht ganz eingesehen, warum gerade ich das tun sollte. Ich bin ja kein starker Mann; und außerdem kam die Flut. Ich dachte –«
Konstabler Ormond wartete geduldig.
Mr. Perkins glaubte plötzlich sein Gewissen mit einem Geständnis erleichtern zu müssen.
»Die Wahrheit ist, ich wollte nicht gern diese Straße entlanggehen. Ich hatte Angst, der Mörder könnte da noch irgendwo herumlungern.«
»Mörder, so? Wie kamen Sie darauf, daß es sich um einen Mord handeln könnte?«
Mr. Perkins schrumpfte ins Kissen zurück.
»Die junge Dame hatte gesagt, es könnte einer sein. Ich bin leider nicht sehr mutig. Sehen Sie, seit meiner Krankheit habe ich so schwache Nerven – Nerven, Sie wissen schon. Und körperlich stark bin ich auch nicht. Die Vorstellung gefiel mir gar nicht.«
»Daraus kann man Ihnen gewiß keinen Vorwurf machen, Sir.« Die gutmütige Herzlichkeit des Polizisten schien Mr. Perkins zu alarmieren, als glaubte er aus den Worten einen falschen Klang herauszuhören.
»Und als Sie dann nach Darley kamen, fanden Sie, die Dame sei jetzt in guten Händen und brauche Ihren Schutz nicht mehr. Und da sind Sie also fortgegangen, ohne sich zu verabschieden.«
»Ja. Ja, ich – ich wollte mich da nicht in etwas hineinziehen lassen, Sie verstehen? In meiner Stellung bekommt einem so etwas nicht. Ein Lehrer muß sich in acht nehmen. Und außerdem –«
»Ja, Sir?«
Mr. Perkins hatte eine neue Anwandlung von Ehrlichkeit.
»Ich hatte darüber nachgedacht. Ich fand das alles reichlich komisch. Ich hab gedacht, ob nicht vielleicht die junge Dame – man hört ja von solchen Sachen – Selbstmordpakte und so was – verstehen Sie? Ich fand einfach, daß ich mit so etwas lieber nichts zu tun haben wollte. Ich bin von Natur aus etwas ängstlich, das gebe ich zu, und wirklich nicht sehr kräftig seit meiner Kindheit, und wie die Dinge nun mal lagen –«
Konstabler Ormond, der durchaus Phantasie und einen starken, wenn auch schlichten Sinn für Humor hatte, unterdrückte hinter vorgehaltener Hand ein Grinsen. Plötzlich sah er Mr. Perkins vor sich, wie er verängstigt auf blasigen Füßen zwischen Skylla und Charybdis dahinhumpelte, verzweifelt vor der Vision eines mordlüsternen Irren am Satans-Bügeleisen floh und sich dafür nun dem Alptraum ausgesetzt sah, womöglich Seite an Seite mit einer ruchlosen und wahrscheinlich ebenso sittenlosen Mörderin durch die Gegend zu laufen.
Er leckte seinen Bleistift an und begann von neuem.
»Aha, Sir. Ich verstehe. Sehr unerfreuliche Situation. Nun aber – nur der Form halber, Sie wissen ja, Sir, daß wir die Bewegungen von jedem überprüfen müssen, der an diesem Tag an der Küste entlanggegangen ist. Kein Grund zur Sorge.« Der Stift war zufällig ein Tintenstift und hinterließ einen unangenehmen Geschmack im Mund. Er fuhr sich mit einer rosa Zunge über die violett gefleckten Lippen und bekam dadurch in Mr. Perkins’ gespenstergeplager Phantasie Ähnlichkeit mit einem sehr großen Hund, der einen saftigen Knochen verspeist. »Wo haben Sie sich gegen zwei Uhr aufgehalten, Sir?«
Mr. Perkins ließ den Kiefer herunterklappen.
»Ich – ich – ich«, begann er unsicher.
Eine Krankenschwester kam herbeigeschwebt und nahm sich seiner an.
»Ich hoffe, Sie brauchen nicht mehr lange, Konstabler«, sagte sie bissig. »Ich kann meinem Patienten diese Aufregung nicht zumuten. Hier, trinken Sie das, Nummer 22, und versuchen Sie sich nicht aufzuregen.«
»Schon gut.« Mr. Perkins trank und gewann seine Farbe zurück. »Ich kann Ihnen sogar ganz genau sagen, wo ich um zwei Uhr war. Sehr günstig, daß Sie gerade nach dieser Zeit fragen. Sehr günstig. Da war ich in Darley.«
»Ach, wirklich?« meinte Mr. Ormond. »Das ist ja sehr erfreulich.«
»Ja, und das kann ich auch beweisen. Sehen Sie, ich kam aus Wilvercombe. Da hatte ich mir in der Apotheke etwas Galmeiwasser gekauft, und ich denke, der Apotheker wird sich an mich erinnern. Ich habe
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