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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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höchstwahrscheinlich ihre Geschichte »unter die Lupe« genommen werden sollte. Sie schwieg, und der Polizeidirektor fuhr fort:
»Also, Miss Vane, ich muß Sie jetzt leider bitten, sich ein paar Tage zu unserer Verfügung zu halten. Was hatten Sie eigentlich geplant?«
    »Oh, ich verstehe vollkommen. Ich werde mich wohl irgendwo in Wilvercombe einquartieren. Keine Angst, ich laufe schon nicht weg. Schließlich möchte ich selbst hier dabeisein.«
    Der Beamte betrachtete sie ein wenig mißbilligend. Natürlich war jeder nur zu glücklich, wenn er in so einer grauenvollen Tragödie im Rampenlicht stehen durfte, aber eine Dame hätte doch wenigstens versuchen können, den gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Inspektor Umpelty reagierte dagegen nur mit dem bescheidenen Hinweis, daß Cleggs’ Temperenzler-Herberge allgemein als preiswert und einigermaßen wohnlich gelte.
    Harriet mußte lachen, als sie plötzlich daran denken mußte, was sie als Schriftstellerin schließlich der Presse schuldig war. »Als unser Korrespondent in Cleggs’ Temperenzler-Herberge mit Miss Vane sprach –« Nein, das ging einfach nicht.
    »Ich habe für Temperenzler-Herbergen nichts übrig«, antwortete sie in bestimmten Ton. »Welches ist das beste Hotel am Ort?«
    »Das Resplendent ist das größte«, meinte Glaisher.
    »Dann finden Sie mich im Resplendent«, sagte Harriet, nahm ihren verstaubten Rucksack auf und wollte zur Tat schreiten.
    »Inspektor Umpelty bringt Sie mit dem Wagen hin«, sagte der Polizeidirektor, indem er Umpelty zunickte.
    »Nett von ihm«, erwiderte Harriet amüsiert.
    Wenige Minuten später setzte der Wagen sie vor einem dieser monströsen Strandpaläste ab, die aussehen wie von einem deutschen Spielwarenfabrikanten entworfen. Das gläserne Portal war von Ziersträuchern halb versperrt, und die hohe gewölbte Decke der Empfangshalle ruhte auf vergoldeten Pilastern, die aus einem Meer von blauem Plüsch emporwuchsen. Harriet, unbeeindruckt von der ganzen Pracht, ging zur Rezeption und verlangte ein großes Einzelzimmer mit Bad, im ersten Stock, mit Blick zum Meer.
    »Bedaure«, näselte der Empfangschef nach einem müden, mißbilligenden Blick auf Harriets Rucksack und Schuhe, »aber unsere Räume sind alle belegt.«
    »Um diese Jahreszeit bestimmt nicht«, antwortete Harriet. »Ich lasse den Geschäftsführer auf ein Wort zu mir bitten.« Worauf sie mit entschlossener Miene im nächststehenden, dick gepolsterten Sessel Platz nahm, einen Kellner herbeiwinkte und einen Cocktail bestellte.
    »Leisten Sie mir Gesellschaft, Inspektor?«
    Der Inspektor dankte artig und erklärte, daß in seiner Stellung eine gewisse Zurückhaltung angebracht sei.
    »Dann ein andermal«, meinte Harriet lächelnd und legte dem Kellner eine Pfundnote aufs Tablett, wobei sie auffällig mit ihrer wohlgefüllten Geldbörse hantierte.
    Inspektor Umpelty konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, als er sah, wie der Empfangschef dem Kellner Zeichen machte. Er schlenderte gemächlich zur Rezeption und sagte ein paar Worte. Kurz darauf näherte sich der Gehilfe des Empfangschefs Harriet mit abbittendem Lächeln.
    »Wir erfahren soeben, daß wir Ihnen doch ein Zimmer anbieten können, Madam. Ein amerikanischer Gast hat uns mitgeteilt, daß er sein Zimmer im ersten Stock heute räumt. Es liegt zur Promenade hin. Ich glaube, Sie werden zufrieden sein.«
    »Hat es auch ein eigenes Bad?« fragte Harriet ohne große Begeisterung.
    »Ja, Madam. Und einen Balkon.«
    »Gut«, sagte Harriet. »Welche Nummer? Dreiundzwanzig. Ich nehme an, es hat auch Telefon? Nun, Inspektor, dann wissen Sie ja jetzt, wo Sie mich erreichen, nicht?«
    Sie grinste ihn freundlich an.
    »Ja, Miss«, entgegnete Inspektor Umpelty, ebenfalls grinsend. Seine Belustigung hatte einen eigenen Grund. Harriets Geldbörse hatte ihr die Aufnahme im Resplendent verschafft, aber für den Blick aufs Meer, das Bad und den Balkon hatte sein geflüstertes »Bekannte von Lord Peter Wimsey« gesorgt. Es war aber gut, daß Harriet davon nichts wußte. Sie hätte sich daran gestört.
    Merkwürdigerweise hatte sie aber ständig Lord Peters Bild vor Augen, als sie dem Morning Star telefonisch ihre Adresse durchgab, und selbst dann noch, als sie mit dem ebenso teuren wie guten Abendessen kämpfte, das im Resplendent serviert wurde. Wären die Beziehungen zwischen den beiden anderer Art gewesen, so hätte sie ihn selbstverständlich angerufen und ihm von dem Toten mit der durchschnittenen Kehle

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