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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Der Felsen war ein gutes Stück weit draußen, und als ich ihn vom Strand aus sah, habe ich die Leiche zuerst sogar für Seetang gehalten. Und Seetang wäre mir bestimmt nicht besonders aufgefallen.«
    »Gut. Dann war der Strand also um ein Uhr leer, abgesehen vielleicht von der Leiche, die möglicherweise schon dort war und Seetang spielte. Dann sind Sie die Steilküste hinuntergeklettert. War der Felsen von Ihrem Picknickplatz aus zu sehen?«
    »Nein, überhaupt nicht. Es war so eine kleine Bucht – das heißt, so kann man sie kaum bezeichnen. Die Steilküste springt an der Stelle ein bißchen vor, und ich saß direkt am Fuß der Felsen, damit ich mich irgendwo anlehnen konnte. Da habe ich dann meinen Lunch gegessen – alles in allem hat das eine halbe Stunde gedauert.«
    »Und Sie haben nichts gehört? Keine Schritte, kein Auto und dergleichen?«
    »Nichts.«
    »Und dann?«
    »Dann bin ich leider ein bißchen eingeschlafen.«
    »Was könnte natürlicher sein. Wie lange?«
    »Etwa eine halbe Stunde. Beim Aufwachen habe ich wieder auf die Uhr gesehen.«
    »Wodurch sind Sie aufgewacht?«
    »Durch eine kreischende Möwe, die es auf meine Butterbrotreste abgesehen hatte.«
    »Da war es also zwei Uhr?«
    »Ja.«
    »Moment. Als ich heute morgen hier ankam, war es noch ein wenig zu früh, um Damenbesuch zu machen, darum bin ich ein bißchen an den Strand hinunterspaziert und habe mich mit einem Fischer angefreundet. Von ihm habe ich beiläufig erfahren, daß bei den Mahlzähnen gestern um Viertel nach eins Niedrigwasser war. Als Sie ankamen, war die Flut also praktisch draußen. Als Sie aufwachten, hatte sie inzwischen gewendet und war seit etwa einer dreiviertel Stunde wieder am Steigen. Der Fuß Ihres Felsens – den die Einheimischen übrigens ›Satans Bügeleisen‹ nennen – ist zwischen einer Flut und der nächsten nur für etwa eine halbe Stunde trocken, und das auch nur zwischen Springfluten, falls Sie mit diesem Begriff etwas anfangen können.«
    »Das schon, aber ich verstehe nicht, was es mit der Sache zu tun hat.«
    »Nun, das heißt, wenn jemand dicht am Wasser vorbei zu diesem Felsen gegangen wäre, könnte er ihn erreicht haben, ohne Fußabdrücke zu hinterlassen.«
    »Aber er hat ja Fußabdrücke hinterlassen. Ach so, ich verstehe. Sie denken an einen eventuellen Mörder.«
    »Mir wäre Mord natürlich lieber. Ihnen nicht?«
    »Doch, ja. Das wäre also klar. Ein Mörder könnte, wenn er es so gemacht hat, aus beiden Richtungen gekommen sein. Wenn er von Lesston Hoe kam, muß er später gekommen sein als ich, denn ich konnte von oben den Strand einsehen, und um die Zeit ist dort niemand herumgelaufen. Aber aus Richtung Wilvercombe könnte er zu jeder Zeit gekommen sein.«
    »Könnte er nicht«, sagte Wimsey. »Sie sagen doch, er war um eins nicht da.«
    »Er könnte auf der Seeseite des Bügeleisens gestanden haben.«
    »Möglich. Tja, und nun zu dem Toten. Wann er an den Strand gekommen ist, können wir ziemlich genau sagen.«
    »Wie denn das?«
    »Sie sagen, er hatte keine Meerwasserflecken an den Schuhen. Demnach muß er den Felsen trockenen Fußes erreicht haben. Wir müssen uns nur noch genau erkundigen, wie lange der Sand auf der Landseite des Felsens bloßliegt.«
    »Natürlich. Wie dumm von mir. Nun, das ist sicher leicht festzustellen. Wo war ich stehengeblieben?«
    »Sie waren vom Kreischen einer Möwe geweckt worden.«
    »Ach ja. Und dann bin ich also um den Ausläufer der Steilküste herum zu dem Felsen gegangen, und da lag er.«
    »Und in diesem Augenblick war sonst niemand in Sicht?«
    »Keine Menschenseele, nur ein Mann in einem Boot.«
    »Ach ja – das Boot. Nehmen wir einmal an, das Boot sei bei Ebbe an die Küste gekommen, und der Insasse sei zu dem Felsen gegangen oder gewatet –«
    »Das wäre natürlich möglich. Das Boot war ziemlich weit draußen.«
    »Es scheint alles davon abzuhängen, wann der Tote hingekommen ist. Das müssen wir herauskriegen.«
    »Für Sie steht also fest, daß es Mord war.«
    »Nun, Selbstmord wäre doch langweilig. Und warum hätte er so weit laufen sollen, um sich umzubringen?«
    »Warum denn nicht? Das ist viel sauberer, als wenn man’s in seinem Schlafzimmer tut. Aber fangen wir hier nicht am falschen Ende an? Wenn wir wüßten, wer der Mann ist, würden wir vielleicht einen Abschiedsbrief finden, in dem er uns erklärt, warum er es getan hat. Ich bin sicher, daß die Polizei inzwischen alles weiß.«
    »Möglich«, meinte Wimsey, nicht sehr

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