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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sagte Wimsey. »Die Waffe ist schließlich nie die Waffe, oder?«
    »Natürlich nicht; und die Leiche ist nie die Leiche. Der Tote ist selbstredend nicht Paul Alexis –«
    »Sondern der Ministerpräsident von Ruritanien–«
    »Und er ist nicht an einem Schnitt durch die Kehle gestorben –«
    »Sondern an einem rätselhaften Gift, das nur den Buschmännern in Zentralaustralien bekannt ist –«
    »Und die Kehle wurde ihm nach dem Tode durchgeschnitten –«
    »Von einem Mann in den besten Jahren, mit hitzigem Temperament, liederlichen Angewohnheiten, starkem Bart und teurem Geschmack –«
    »Der erst vor kurzem aus China zurückgekehrt ist«, endete Harriet im Triumph.
    Der Sergeant, der diesem Wortwechsel mit offenem Mund gefolgt war, brach jetzt in ein herzhaftes Lachen aus.
    »Das ist gut!« meinte er nachsichtig. »Komisch, nicht, was diese Schriftsteller so alles in ihren Büchern verzapfen? Möchten Eure Lordschaft auch die anderen Beweisstücke sehen?«
    Wimsey versicherte feierlich, daß er dies nur zu gern tun würde, und so wurden der Hut, das Zigarettenetui, der Schuh und das Taschentuch geholt.
    »Hm«, machte Wimsey. »Hut geht einigermaßen, aber nichts Besonderes. Kopfumfang eher klein. Haarcreme: die übliche Stinkpomade. Körperliche Kondition ganz brauchbar –«
    »Der Mann war Tänzer.«
    »Hatten wir uns nicht geeinigt, daß er Ministerpräsident war? Haar dunkel, lockig und ziemlich lang. Hut vom letzten Jahr, neu gepreßt, Band erneuert. In der Form ein bißchen auffälliger als unbedingt nötig. Folgerung: nicht reich, aber auf sein Äußeres bedacht. Können wir daraus schließen, daß der Hut zur Leiche gehört?«
    »Ich glaube ja. Die Pomade spricht dafür.«
    »Das Zigarettenetui – hier liegt der Fall etwas anders. Fünfzehnkarätiges Gold, schlicht und einigermaßen neu, mit Monogramm: P.A., Inhalt sechs ›de Reszke‹. Ein durchaus solides Etui. Wahrscheinlich ein Geschenk von einer reichen Verehrerin.«
    »Oder eben das Zigarettenetui eines Ministerpräsidenten.«
    »Sie sagen es. Taschentuch – Seide, aber nicht aus den Burlington-Arkaden. Farbe abscheulich. Wäschereizeichen –«
    »Das Wäschereizeichen ist schon klar«, warf der Sergeant ein. »Aus der Dampfreinigung Wilvercombe; es gehört zu diesem Alexis.«
    »Sehr verdächtig«, meinte Harriet kopfschüttelnd. »Ich habe drei Taschentücher im Rucksack, die nicht nur die Wäschezeichen, sondern sogar die Monogramme von Wildfremden tragen.«
    »Dann ist es also doch der Ministerpräsident«, pflichtete Wimsey ihr mit betrübtem Kopfnicken bei. »Ministerpräsidenten, vor allem ruritanische, gehen bekanntlich sehr sorglos mit ihrer Wäsche um. Jetzt der Schuh. Aha. Fast neu. Dünne Sohle. Häßliche Farbe und noch häßlichere Form. Handgenäht – die Häßlichkeit ist demnach vorsätzlich herbeigeführt. Es ist nicht der Schuh eines Mannes, der viel zu Fuß geht. Hergestellt in Wilvercombe, wie ich sehe.«
    »Das stimmt auch«, warf der Sergeant ein. »Wir waren bei dem Schuhmacher. Er hat diese Schuhe tatsächlich für Mr. Alexis angefertigt. Er kennt ihn gut.«
    »Und Sie haben ihn wirklich der Leiche vom Fuß gezogen? Das läßt tief blicken, Watson. Das Taschentuch eines anderen mag noch angehen, aber ein Ministerpräsident in eines anderen Mannes Schuhen –«
    »Wenn Sie nur Ihren Spaß machen können, Mylord!« rief der Sergeant mit einem neuen Lachanfall.
    »Ich mache nie Spaß«, sagte Wimsey. Er nahm die Schuhsohle unter die Lupe. »Leichte Salzwasserspuren hier, aber keine am Oberleder. Schlußfolgerung: Er ist über den Sand gegangen, als dieser noch sehr naß war, ohne aber direkt durchs Wasser zu waten. Ein paar kleine Kratzer an der Kappe, wahrscheinlich vom Hinaufsteigen auf den Felsen. Also, Sergeant, haben Sie heißen Dank. Es steht Ihnen völlig frei, alle die wertvollen Erkenntnisse, die wir hier gezogen haben, an Inspektor Umpelty weiterzugeben. Trinken Sie einen auf uns.«
    »Vielen Dank, Mylord.«
    Wimsey sprach nicht mehr, bis sie wieder im Wagen saßen.
    »Es tut mir leid«, sagte er dann, während sie sich durch Nebenstraßen schlängelten, »aber ich muß unsern Stadtbummel absagen. Ich hätte dieses kleine Vergnügen sehr genossen. Aber wenn ich nicht sofort aufbreche, komme ich heute nicht mehr nach London und zurück.«
    Harriet, die schon hatte sagen wollen, sie müsse arbeiten und habe keine Zeit, mit Lord Peter durch Wilvercombe zu rennen und Maulaffen feilzuhalten, fühlte sich aus

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