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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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dort war – wo wäre dann der Mörder geblieben?«
    Wimsey setzte sich so plötzlich auf, als wäre er gestochen worden.
    »Verflixt noch mal!« rief er. »Harriet, liebste, süße, schöne Harriet, sagen Sie bitte, daß Sie sich geirrt haben! Mit dem Mord können wir nicht im Irrtum sein. Ich habe bei Inspektor Umpelty meinen Ruf dafür verpfändet, daß es kein Selbstmord gewesen sein kann. Ich muß außer Landes gehen. Nie wieder kann ich meinen Kopf hoch tragen. Ich werde hingehen und in fieberverseuchten Dschungeln Tiger jagen müssen, und wenn ich sterbe, wird sich meinen geschwollenen, schwarzen Lippen das Wörtchen ›Mord‹ entringen. Sagen Sie, daß das Blut geronnen war. Oder sagen Sie, daß noch Spuren da waren, die Sie übersehen haben. Oder daß ein Boot in Rufweite war. Sagen Sie irgend etwas!«
    »Es war ein Boot da, aber nicht in Rufweite. Ich habe nämlich danach gerufen.«
    »Gott sei Dank, daß wenigstens ein Boot da war. Vielleicht kann ich meine alten Knochen doch in England lassen. Was heißt hier: ›nicht in Rufweite, weil Sie danach gerufen haben‹? Wenn der Mörder im Boot saß, wäre er natürlich nicht zurückgekommen, und wenn Sirenen ihn mit süßen Klängen gelockt hätten. Erschrecken Sie mich doch nicht so. Meine Nerven sind nicht mehr, was sie mal waren.«
    »Ich verstehe nicht viel von Booten, aber für mich sah es ziemlich weit weg aus. Und der Wind stand landeinwärts.«
    »Das macht nichts. Solange nur überhaupt eine schöne, steife Brise wehte und er hart am Wind segeln konnte, kann er in zehn Minuten ein ganz schönes Stück zurückgelegt haben. Was war das für ein Boot?«
    Hier mußte Harriet ihre Unwissenheit bekennen. Sie hatte es als Fischerboot eingeordnet – nicht weil sie mit wissenschaftlicher Genauigkeit zwischen einem Fischerboot und einer Fünfmeterjacht hätte unterscheiden können, sondern weil jeder, der als Tourist ans Meer kommt, selbstverständlich jedes Schiff als Fischerboot ansieht, solange er keines Besseren belehrt wird. Sie meinte, es habe so eine Art spitzes Segel gehabt – eines oder mehrere, das konnte sie nicht sagen. Sicher war sie nur, daß es zum Beispiel kein voll aufgetakelter Viermastschoner war, aber ansonsten sah ein Segelboot für sie wie jedes andere aus, wie für die meisten Städter, vor allem für junge Schriftstellerinnen.
    »Na ja, macht nichts«, sagte Wimsey. »Das werden wir schon noch finden. Gott sei Dank müssen alle Schiffe irgendwann wieder an Land kommen. Und den Küstenbewohnern sind sie alle bestens bekannt. Ich wollte auch nur wissen, wieviel Tiefgang das Boot wahrscheinlich hatte. Wenn es nämlich nicht bis unmittelbar an den Felsen heransegeln konnte und der Kerl bis hierher rudern oder gar schwimmen mußte, hat ihn das nicht nur ein schönes Stück Zeit gekostet, er mußte auch einen Komplizen im Boot haben, der es am Tatort beigedreht hielt, denn sonst hätte er sich sogar noch die Zeit nehmen müssen, die Segel zu reffen und so weiter. Ich meine, man kann ein Segelboot nicht einfach anhalten wie ein Auto, aussteigen, wieder einsteigen und starten. Damit brächte man sich in größte Schwierigkeiten. Aber das stört nicht weiter. Warum sollte der Mörder keinen Komplizen gehabt haben? Es wäre wirklich nicht das erste Mal. Am besten nehmen wir an, daß es mindestens zwei Mann in einem kleinen Schiff mit geringem Tiefgang waren. Dann konnten sie nah herankommen, und während der eine das Boot beidrehte, konnte der andere allein bis hierher waten oder in einem Beiboot herrudern, die Tat ausführen und zum Mutterboot zurückgelangen, so daß sie wieder ablegen konnten, ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren. Da sie nämlich in den zehn Minuten zwischen dem Schrei und Ihrer Ankunft bei dem Felsen die Tat begehen, zum Boot zurückkehren und bis zu der Stelle segeln mußten, wo Sie sie gesehen haben, können wir ihnen nicht soviel Zeit zubilligen, wie sie gebraucht hätten, um das Boot zuerst an Land zu ziehen, festzumachen, wieder abzulegen, Segel zu setzen und so weiter. Darum vermute ich einen Komplizen.«
    »Aber die Mahlzähne«, wandte Harriet zaghaft ein. »Ich dachte, es sei ziemlich gefährlich, ein Boot an dieser Stelle nah an die Küste zu bringen.«
    »Hol’s der Kuckuck! Ja doch. Nun, dann waren es eben sehr erfahrene Seeleute. Oder sie sind an einer anderen Stelle an die Küste gekommen. Aber das würde wieder heißen, daß sie noch ein weiteres Stück hätten rudern oder waten müssen, je nachdem. Es

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