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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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ist zum Heulen! Ich wollte, wir könnten ihnen mehr Zeit lassen.«
    »Sie meinen nicht –«, begann Harriet. Ihr war soeben ein sehr unerfreulicher Gedanke gekommen. »Sie meinen nicht, daß der Mörder die ganze Zeit hiergewesen sein könnte, ganz in der Nähe, unter Wasser oder so?«
    »Er hätte ab und zu Luft holen müssen.«
    »Schon, aber das habe ich vielleicht nur nicht bemerkt. Ich habe zwischendurch lange genug nicht aufs Meer gesehen. Er hat mich kommen hören, sich dicht hinter den Felsen geduckt und gewartet, bis ich hinuntergestiegen bin, um nach dem Rasiermesser zu suchen. Dann ist er untergetaucht und weggeschwommen, während ich ihm den Rücken zukehrte. Ich weiß nicht, ob das möglich ist. Hoffentlich nicht, denn die Vorstellung wäre mir unangenehm, daß er die ganze Zeit da war und mich beobachtete!«
    »Kein schöner Gedanke«, meinte Wimsey. »Trotzdem hoffe ich, daß er doch hier war. Es müßte ein schöner Schock für ihn gewesen sein, Sie hier herumhopsen und fotografieren und alles mögliche treiben zu sehen. Womöglich hat dieses Bügeleisen sogar eine Spalte oder so etwas Ähnliches, worin er sich verstecken konnte? Zum Teufel mit dem Felsen! Kann er nicht hervorkommen und sich zeigen wie ein Mann? Wissen Sie was, ich gehe mal hin und schaue ihn mir an. Wenden Sie bitte Ihren keuschen Blick seewärts, während ich in meinen Badeanzug steige, dann werde ich mir das Ding mal aus der Nähe ansehen.«
    Nicht zufrieden mit diesem Programmvorschlag, der einem Menschen ihres aktiven Temperaments nicht gerecht wurde, wandte Harriet nicht nur den Blick ab, sondern begab sich gleich selbst hinter einen geeigneten Felsbrocken und kam in Badekleidung wieder hervor, gerade rechtzeitig, um Wimsey über den Sand laufen zu sehen.
    »Er hat eine bessere Figur, als ich gedacht habe«, gestand sie sich ehrlich ein. »Kräftigere Schultern, als ich erwartet hatte, und dem Himmel sei Dank, er hat sogar Waden an den Beinen.« Wimsey, der auf seine Figur einigermaßen stolz war, hätte sich ob dieses gemäßigten Entzückens, wenn er es hätte hören können, kaum geschmeichelt gefühlt, aber im Augenblick hatte er glücklicherweise an anderes zu denken als an sich selbst. Er stieg behutsam neben dem Felsen ins Wasser, denn er wußte ja nicht, wie hier der Meeresboden beschaffen war, schwamm ein paar Züge, um sich Mut zu machen, und hob den Kopf zu der Bemerkung, daß das Wasser unverschämt kalt sei und es Harriet guttun werde, ihm nachzukommen.
    Harriet schwamm ihm nach und schloß sich seiner Meinung an, daß das Wasser kalt und der Wind eisig sei. Nachdem sie sich in diesem Punkt also einig waren, kehrten sie zum Felsen zurück und tasteten sich vorsichtig um diesen herum. Wimsey, der auf der Seite nach Wilvercombe schon ein wenig Unterwasserforschung betrieben hatte, tauchte prustend auf und fragte Harriet, ob sie auf dieser oder auf der anderen Seite vom Bügeleisen heruntergekommen sei, um nach dem Rasiermesser zu suchen.
    »Auf der anderen«, sagte Harriet. »Es war so, ich stand auf dem Felsen bei der Leiche – so.« Sie stieg aus dem Wasser, kletterte auf den Felsen und stand bibbernd im Wind. »Dann habe ich mich nach beiden Seiten umgesehen – so.«
    »Sie haben nicht zufällig mal in diese Richtung geschaut?« fragte Wimseys Kopf, der glänzend wie der eines Seehunds aus dem Wasser schaute.
    »Nein, ich glaube nicht. Nachdem ich mir dann eine Weile an der Leiche zu schaffen gemacht hatte, bin ich auf diesem Weg heruntergekommen. Ich habe mich etwa hier hingesetzt, um Schuhe und Strümpfe auszuziehen und meine Sachen hochzukrempeln. Dann bin ich in dieser Richtung ins Wasser gegangen und habe um den Felsen herum gesucht. Damals stand das Wasser ungefähr einen halben Meter hoch. Jetzt dürften es anderthalb Meter sein.«
    »Können Sie –«, begann Wimsey. Eine Welle spülte ihm plötzlich über den Kopf und brachte ihn zum Verstummen. Harriet mußte lachen.
    »Können Sie mich sehen?« vollendete er die Frage, indem er das Wasser aus den Nasenlöchern prustete.
    »Nein. Ich habe sie nur gehört. Es war sehr lustig.«
    »Gut, aber zügeln Sie Ihre Heiterkeit. Sie können mich also nicht sehen.«
    »Nein. Da ist ein Vorsprung am Fels. Wo sind Sie?«
    »Ich stehe in einer hübschen kleinen Nische, wie ein Heiliger über dem Kirchenportal. Sie ist etwa so groß wie ein Sarg. Ungefähr einsachtzig hoch, mit einem süßen kleinen Dach und gerade so geräumig, daß man sich seitlich hineinzwängen

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