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Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde

Titel: Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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weniger Aufmerksamkeit zu erregen, wenn er mit dem Zug fuhr. In diesem Falle dürfte er zu Fuß die Straße entlanggegangen sein – er würde ja dann nicht spätere Nachforschungen erleichtern wollen, indem er sich von jemandem mitnehmen ließe.«
    »Bestimmt nicht. Aber warum in aller Welt hat er sich dann für die Verabredung so einen auffälligen Platz ausgesucht –?«
    »Sie meinen, die beiden hätten ihr Schwätzchen hinter einem Felsen oder unter Bäumen, in einem verlassenen Schuppen oder einem ausgedienten Steinbruch halten sollen, ja?«
    »Wäre das nicht natürlicher?«
    »Nein. Vor allem nicht, wenn man nicht belauscht werden will. Wenn Sie je Geheimnisse austauschen wollen, hüten Sie sich vor der hohlen Eiche, der lauschigen Hecke und dem alten Sommerhaus in einem italienischen Garten – lauter Plätze, an die sich Leute mit großen Ohren ungesehen heranschleichen können. Treffen Sie sich mitten auf einer großen Wiese, einem See – oder auf einem Felsen wie dem Bügeleisen, wo Sie jeden, der sich Ihnen nähert, schon eine halbe Stunde vorher sehen. Da fällt mir ein, daß in einem Buch von Ihnen –«
    »Meine Bücher sind jetzt unwichtig! Ich verstehe schon, was Sie meinen. Also, dann trifft Bright eben zu irgendeinem Zeitpunkt zu dieser Verabredung ein. Aber wie? Und wann?«
    »Indem er von irgendeinem Punkt aus, den Sie sich aussuchen können, hart am Ufer durchs Wasser watet. Wann, weiß ich nicht. Ich kann nur vermuten, daß es in der Zeit war, als Sie, mein liebes Kind, über Tristram Shandy eingeschlafen waren. Und ich nehme an, daß er aus Richtung Wilvercombe gekommen ist, sonst hätte er Sie ja gesehen. Er hätte es kaum gewagt, einen Mord zu begehen, in dem Bewußtsein, daß sich ganz in der Nähe ein möglicher Beobachter aufhält.«
    »Ich finde es sowieso ziemlich unvorsichtig von ihm, daß er nicht einmal um den Felsvorsprung geguckt hat.«
    »Richtig; aber das hat er offensichtlich nun einmal nicht. Er begeht jedenfalls den Mord, und den Zeitpunkt dafür können wir auf zwei Uhr festlegen. Also muß er das Bügeleisen zwischen halb zwei und zwei Uhr erreicht haben – vielleicht auch zwischen ein und zwei Uhr –, denn wenn Sie in Ihrem gemütlichen Eckchen gerade gegessen oder gelesen haben, konnten Sie ihn wahrscheinlich weder hören noch sehen, als er kam. Früher als ein Uhr kann es nicht gewesen sein, denn da haben Sie von der Steilküste hinuntergeschaut und sind ganz sicher, daß Sie da keine Menschenseele gesehen haben.«
    »Ganz recht.«
    »Gut. Er begeht also den Mord. Der arme Alexis stößt einen Schrei aus, als er das Rasiermesser sieht, und Sie erwachen. Haben Sie dann gerufen oder was?«
    »Nein.«
    »Oder ein Lied angestimmt?«
    »Auch nicht.«
    »Oder sind Sie unter glockenhellem Mädchenlachen herumgehüpft?«
    »Nein. Das heißt, ich bin zwar kurz darauf ein bißchen herumgerannt, aber ich habe dabei keinen Lärm gemacht.«
    »Ich möchte nur wissen, warum sich der Mörder nicht sofort wieder auf den Nachhauseweg gemacht hat. Dann hätten Sie ihn nämlich gesehen. Mal überlegen. Aha, die Papiere hatte ich vergessen! Er mußte die Papiere mitnehmen.«
    »Was für Papiere?«
    »Nun, ich kann nicht beschwören, daß es Papiere waren. Es könnte auch der Diamant des Maharadschas oder so etwas gewesen sein. Jedenfalls wollte er irgend etwas von der Leiche. Und als er sich gerade über sein Opfer beugte, hörte er Sie im Geröll herumhopsen. Am Wasser trägt der Schall recht weit. Der verdutzte Schurke hält inne, und als er die Geräusche näherkommen hört, springt er auf der Seeseite vom Felsen hinunter und versteckt sich dort.«
    »In voller Kleidung?«
    »Das hatte ich vergessen. Er würde ein bißchen naß wieder herauskommen, nicht? Nein. Ohne Kleidung. Seine Kleider hat er da liegengelassen, von wo aus er durchs Wasser gelaufen ist. Wahrscheinlich hatte er einen Badeanzug an, so daß jeder, der ihn sah, ihn für einen harmlosen Sonnenanbeter halten konnte, der ein bißchen in den Wellen planschte.«
    »Hatte er das Rasiermesser in der Tasche seiner Badehose?«
    »Nein, das hatte er in der Hand oder um den Hals gehängt. Stellen Sie keine dummen Fragen. Er hat in seiner kleinen Nische gewartet, bis Sie fort waren, dann ist er wieder die Küste entlanggelaufen –«
    »Aber nicht in Richtung Wilvercombe.«
    »Verflixt! Dann hätten Sie ihn ja vermutlich gesehen. Allerdings nicht, wenn er sich dicht an die Steilküste hielt. Um Fußabdrücke brauchte er sich nicht

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