Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
Ich hab jedenfalls nicht an Leichen gedacht, und auch nicht an Weiber und was die da mit ihren Kerlen treiben. Ich hab was anderes zu tun als rumzusitzen und Leuten beim Baden zuzugucken.«
»Was hatten Sie denn zu tun?«
»Meine Sache.«
»Also, egal was sie Sie zu tun hatten, Sie hatten es auf jeden Fall draußen im tiefen Wasser vor den Mahlzähnen zu tun.«
Mr. Pollock schwieg störrisch.
»War noch jemand bei Ihnen im Boot?« »Nein.«
»Was hat denn Ihr Enkel um die Zeit gemacht?« »Ach, den meinen Sie? Ja, der war bei mir. Ich dachte, Sie wollten wissen, ob noch jemand im Boot war, der nicht hingehört.«
»Was meinen Sie denn damit?«
»Nichts. Nur daß bei der Polizei lauter Trottel sind.«
»Wo ist Ihr Enkel jetzt?«
»Drüben in Cork. Letzten Samstag hingefahren.« »Ach, nach Cork? Um Schmuggelware nach Irland zu bringen?«
Mr. Pollock spuckte kräftig aus.
»Natürlich nicht. Geschäfte. Meine Geschäfte.« »Ihre Geschäfte kommen mir ziemlich mysteriös vor, Pollock. Nehmen Sie sich in acht. Wir wollen diesen jungen Mann sprechen, wenn er zurückkommt. Sie sagen jedenfalls, daß Sie gerade in Richtung Küste steuerten, als die junge Dame Sie zum erstenmal sah, und daß Sie dann wieder nach drau ßen gefahren sind.«
»Warum nicht?«
»Wozu wollten Sie an die Küste?«
»Meine Sache, oder?«
Der Polizeidirektor ließ das Thema fallen. »Sie könnten es uns jedenfalls sagen, wenn Sie zwischen Ihrem Haus und dem Bügeleisen jemanden an der Küste hätten entlanggehen sehen?« »Ja, könnte ich. Und ich hab keinen gesehen. Jedenfalls nicht bis Viertel vor zwei. Was dann war, kann ich so oder so nicht beschwören, weil ich mich da, wie gesagt, um meine Arbeit zu kümmern hatte.«
»Haben Sie ein anderes Boot in der Gegend gesehen?«
»Nein.«
»Schön. Wenn Ihr Gedächtnis sich in den nächsten Tagen bessern sollte, sagen Sie uns Bescheid.« Mr. Pollock knurrte noch etwas wenig Schmeichelhaftes und zog sich zurück.
»Kein sehr liebenswürdiger alter Herr«, meinte Wimsey.
»Ein alter Tunichtgut«, sagte Polizeidirektor Glaisher. »Und das Schlimmste ist, daß man ihm kein Wort glauben kann. Ich möchte zu gern wissen, was er dort wirklich getrieben hat.«
»Vielleicht Paul Alexis ermordet?« mutmaßte der Inspektor.
»Oder er hat den Mörder gegen Bezahlung an den Tatort gebracht«, spann Wimsey den Faden fort. »Das halte ich eigentlich für wahrscheinlicher.
Welches Motiv sollte er haben, Alexis zu ermorden?«
»Da wären immerhin die dreihundert Pfund, Mylord. Die dürfen wir nicht vergessen. Ich weiß, daß ich gesagt habe, es ist Selbstmord, und das glaube ich immer noch, aber wir haben jetzt ein viel besseres Mordmotiv.«
»Immer vorausgesetzt, daß Pollock von den dreihundert Pfund wußte. Und woher soll er davon gewußt haben?«
»Passen Sie mal auf«, sagte der Polizeidirektor.
»Angenommen, Alexis wollte England verlassen.« »Das sage ich ja auch«, warf Umpelty ein. »Und angenommen, er hat Pollock angeheuert, um ihn von der Küste abzuholen und zu einer Jacht oder etwas Ähnlichem zu bringen. Und angenommen, er hat, als er Pollock bezahlte, versehentlich den Rest des Geldes gezeigt. Könnte Pollock ihn nicht wieder zur Küste zurückgebracht, ihm die Kehle durchgeschnitten und sich mit dem Gold aus dem Staub gemacht haben?«
»Aber wieso?« begehrte Umpelty auf. »Warum ihn zuerst an die Küste bringen? Hätte er ihn nicht leichter gleich im Boot umbringen und die Leiche einfach ins Meer werfen können?«
»O nein«, ließ Wimsey sich eifrig vernehmen.
»Haben Sie schon mal beim Schweineschlachten zugesehen, Inspektor? Wissen Sie, wie das Blut da spritzt? Wenn Pollock Alexis in seinem Boot umgebracht hätte, müßte er ganz schön schrubben, um das Blut überall wegzubekommen.«
»Stimmt vollkommen«, sagte der Polizeidirektor.
»Aber was wäre dann mit Pollocks Kleidung? Ich fürchte, wir haben nicht genug Beweise, um einen Haussuchungsbefehl zu bekommen und nach Blutflecken zu suchen.«
»Außerdem kann man so etwas vom Ölzeug ganz leicht abwaschen«, bemerkte Wimsey.
Die beiden Polizeibeamten mußten ihm da betrübt recht geben.
»Und wenn Sie hinter Ihrem Opfer stehen, während Sie ihm die Kehle durchschneiden, haben Sie sogar eine gute Chance, gar nicht soviel abzubekommen. Ich bin überzeugt, daß Alexis genau an der Stelle umgekommen ist, wo er gefunden wurde, ob Mord oder nicht. Und wenn Sie nichts dagegen haben, Herr Polizeidirektor, möchte ich
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