Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
ihr Angst gemacht. Sie und ihre Freundin hätten am Donnerstag am Bahnübergang »Blaubart« gespielt. Sie wisse, daß es der Donnerstag war, weil da Markttag war und der Zehn-Uhrfünfzehn-Zug hier hielt. Sie war Schwester Anna auf dem Turm gewesen und hatte ihrer Gefährtin immer zugerufen, wenn sie jemanden die Straße entlangkommen sah. Sie hatten dort von nach dem Mittagessen (laut Schrankenwärter 12.30 Uhr) bis kurz vor dem Tee (vier Uhr) gespielt. Sie wußte ganz genau, daß der gräßliche Mann nicht durch die Fußgängerschleuse gekommen war, sonst wäre sie nämlich weggelaufen.
Damit war die letzte entfernte Möglichkeit dahin, daß der geheimnisvolle Mr. Martin die Drei Federn doch früher als angenommen verlassen haben könnte, um bis zum Bahnübergang zu Fuß zu gehen und sich von dort von einem Wagen mitnehmen zu lassen. Wimsey bedankte sich bei Rosie mit einem halben Shilling und fuhr weiter.
Sein nächster Anlaufhafen waren natürlich die Drei Federn. Mr. Lundy, der Wirt, war zu Auskünften gern bereit. Was er dem Inspektor gesagt habe, sei vollkommen richtig. Er habe Mr. Martin zum erstenmal am Dienstag gesehen – das sei am 16. gewesen. Mr. Martin sei gegen sechs Uhr abends angekommen, habe seinen Morgan auf dem Dorfanger abgestellt und sei hereingekommen, um ein Glas Bier zu trinken und sich nach dem Weg zu Mr. Goodrich zu erkundigen. Wer war Mr. Goodrich? Nun, Mr. Goodrich war der Mann, dem das Grundstück am Hinks’s Lane gehörte, auf dem Mr. Martin zelten wollte. Das ganze Land da in der Gegend gehörte Mr. Goodrich.
»Eines möchte ich gern genau wissen«, sagte Wimsey. »Ist Mr. Martin aus Richtung Hinks’s Lane gekommen, oder woher kam er?«
»Nein, Sir, er ist auf der Straße von Heathbury gekommen und hat, wie gesagt, seinen Wagen auf dem Anger abgestellt.«
»Ist er dann sofort hier hereingekommen?« »Geradewegs wie die Schwalbe ins Nest«, antwortete Mr. Lundy bildhaft. »Wir hatten ja geöffnet, Sir.«
»Und hat er irgendwen gefragt, wo er hier zelten kann, oder hat er sich gleich nach Mr. Goodrich erkundigt?«
»Er hat sonst überhaupt nichts gefragt, Sir. Nur nach Mr. Goodrichs Haus.«
»Dann kannte er also Mr. Goodrichs Namen?«
»Scheint so, Sir.«
»Hat er gesagt, er wolle Mr. Goodrich sprechen?«
»Nein, Sir. Er hat nur nach dem Weg gefragt, hat sein Bier ausgetrunken und ist wieder weggefahren.«
»Wie ich höre, hat er letzten Donnerstag hier zu Mittag gegessen?«
»Richtig, Sir. Da ist er mit einer Dame in einem großen offenen Auto gekommen. Sie hat ihn vor der Tür abgesetzt und ist weitergefahren, und er ist reingekommen und hat sich zum Mittagessen hingesetzt.« Der Wirt meinte, das müsse so gegen ein Uhr gewesen sein, aber das könne das Mädchen genauer sagen als er.
Das Mädchen wußte alles. Ja, wie sie schon zu Inspektor Umpelty gesagt habe, sei er etwa um zehn vor eins gekommen. Er habe ihr gegenüber erwähnt, daß er in Wilvercombe gewesen sei, und nun wolle er zur Abwechslung mal in den Drei Federn essen. An seinem Wagen sei etwas kaputt, und ein vorbeikommendes Auto habe ihn mit nach Wilvercombe genommen und wieder zurückgebracht. Ja, er habe mit gutem Appetit gegessen: Hammelkeule mit Kartoffeln und Kohl und anschließend Rhabarberkompott.
Wimsey schüttelte sich bei dem Gedanken an Hammelbraten mit Kohl an einem glühendheißen Junitag und fragte, wann Mr. Martin das Lokal denn wieder verlassen habe.
»Es muß um halb zwei gewesen sein, Sir, nach der richtigen Zeit. Unsere Uhren gehen nämlich alle zehn Minuten vor, genau wie die Uhr in der Bar, die jeden Tag nach dem Radio gestellt wird. Ich weiß nicht, ob Mr. Martin sich beim Hinausgehen noch in der Bar aufgehalten hat, aber halb zwei war’s, als er hier sein Essen bezahlt hat. Da kann ich mich gar nicht irren, Sir, denn es war mein freier Nachmittag, und mein Freund wollte mit mir mit dem Motorrad nach Heathbury, und da hab ich sozusagen die Uhr nicht aus den Augen gelassen, um zu sehen, wann ich mit der Arbeit fertig sein würde. Nach Mr. Martin war keiner mehr gekommen, darum konnte ich dann hier verschwinden und mich umziehen gehen, was mich sehr gefreut hat.«
Das war deutlich genug. Mr. Martin hatte mit Bestimmtheit die Drei Federn nicht vor halb zwei verlassen. Zweifellos war er nicht Paul Alexis’ Mörder. Aber da Wimsey nun einmal damit angefangen hatte, war er auch entschlossen, die Ermittlungen bis zum bitteren Ende durchzuführen. Er hielt sich vor, daß Alibis
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