Wimsey 08- Zur fraglichen Stunde
Ihnen etwas vorschlagen, wie wir vielleicht ein für allemal klären können, ob es Mord oder Selbstmord war.« Er erläuterte noch einmal seinen Vorschlag, und der Polizeidirektor nickte.
»Ich wüßte nicht, was dagegen spräche, Mylord. Dabei könnte wirklich etwas herauskommen. Eigentlich«, sagte Mr. Glaisher, »ist mir so etwas Ähnliches auch schon durch den Kopf gegangen. Aber ich habe nichts dagegen, wenn es so aussieht, als ob die Idee von Eurer Lordschaft käme. Ganz und gar nichts.«
Wimsey grinste und machte sich auf die Suche nach Salcombe Hardy, dem Reporter des Morning Star, der sich, wie erwartet, in der Hotelbar stärkte.
Die meisten Presseleute waren in der Zwischenzeit schon abgereist, aber Hardy hatte in rührendem Vertrauen zu Lord Peter die Stellung gehalten. »Obwohl Sie mich ziemlich schlecht behandeln, alter Freund«, sagte er, aus veilchenblauen Augen anklagend in Lord Peters graue Augen blickend, »ist mir klar, daß Sie noch etwas im Ärmel haben, sonst würden Sie nicht so fest am Tatort kleben.
Höchstens wegen der Frau. Mein Gott, Wimsey, sagen Sie bitte, daß es nicht wegen der Frau ist. So gemein würden Sie doch einem armen, fleißigen Journalisten nicht mitspielen, oder? Aber Moment!
Wenn sich hier sonst nichts tut, erzählen Sie mir eben was über die Frau, ja? Mir ist alles recht, Hauptsache, man kann es verkaufen. ›Die Romanze des Jahres – Sohn eines Peers verlobt sich mit Kriminalautorin‹ – immerhin besser als gar nichts. Irgendeine Geschichte muß ich schließlich mit nach Hause bringen.«
»Reißen Sie sich zusammen, Sally«, sagte Seine Lordschaft, »und lassen Sie Ihre Tintenpfoten von meinen Privatangelegenheiten. Kommen Sie aus dieser Höhle des Lasters, setzen Sie sich mit mir in eine gemütliche Ecke im Salon, dann bekommen Sie von mir eine hübsche kleine Geschichte, die Ihnen ganz allein gehört.«
»Das lobe ich mir«, sagte Mr. Hardy gerührt, »daran erkennt man einen guten alten Freund. Einen Freund soll man nie in der Tinte sitzenlassen, auch wenn er nur ein armseliger kleiner Reporter ist. Noblesse oblige. Das habe ich zu den anderen Trotteln gesagt. ›Ich halte mich an Peter‹, hab ich gesagt, ›denn Peter ist für mich Geld wert. Er würde nie mit ansehen, wie ein arbeitsamer Mensch seine Stellung verliert, weil er nichts Gescheites hat, worüber er schreiben kann.‹ Aber diese neuen Leute, die haben keine Energie, keinen Mumm. Fleet Street geht vor die Hunde, hol’s der Teufel. Von der alten Garde ist da keiner mehr außer mir. Ich weiß, wo Neuigkeiten zu holen sind, und ich weiß auch, wie ich darankomme. Ich hab mir gesagt, halte dich an den guten Peter, hab ich gesagt, und demnächst kriegst du von ihm eine Geschichte.«
»Feiner Kerl!« sagte Wimsey. »Möge es uns nie an einem guten Freund oder an einer guten Geschichte für ihn mangeln. Sind Sie halbwegs nüchtern, Sally?«
»Nüchtern?« rief der Journalist empört. »Haben Sie schon mal einen Zeitungsmann erlebt, der nicht stocknüchtern war, wenn ihm einer was zu erzählen hatte? Ich bin vielleicht kein Abstinenzler, aber jederzeit sicher genug auf den Beinen, um einer guten Geschichte nachzulaufen, und was will man mehr?« Wimsey bugsierte seinen Freund behutsam an einen Tisch im Salon.
»So, da wären wir«, sagte er. »Und nun schreiben Sie mal schön mit und sehen Sie zu, daß das Ding in Ihrem Käseblatt gut aufgemacht wird. An Beiwerk können Sie einflicken, was Sie wollen.« Hardy hob ruckartig den Kopf.
»Aha!« sagte er. »Hintergedanken, wie? Keine reine Freundschaft. Vaterlandsliebe genügt nicht.
Ach was – wenn’s nur eine gute Geschichte ist und exklusiv dazu, dann ist das Motiv irrile … irreli …
blödes Wort! – nicht so wichtig.«
»So ist es«, sagte Wimsey. »Also, schreiben Sie.
›Das Rätsel um den grausigen Tod auf dem SatansBügeleisen wird immer verworrener, je mehr man sich um seine Auflösung bemüht. Was zunächst wie ein gewöhnlicher Fall von Selbstmord aussah, erweist sich –‹«
»Schon gut«, rief Hardy dazwischen. »Das kann ich allein. Wo bleibt die Geschichte?«
»Gleich. Aber reiten Sie schön auf der Rätselhaftigkeit herum. Weiter jetzt: ›Lord Peter Wimsey, der berühmte Amateurdetektiv, sagte im Gespräch mit unserem Sonderkorrespondenten in seinem komfor tablen Zimmer im Hotel Bellevue –‹«
»Ist das komfortable Zimmer wichtig?«
»Die Adresse ist wichtig. Die sollen wissen, wo sie mich finden.«
»In Ordnung.
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