Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
unwissendes und unschuldiges Gesicht – «aber ich glaube nicht, daß Mr. Tallboy davon besonders erbaut wäre, und Mr. Pym auch nicht. Und da hab ich gedacht, da Mr. Wedderburn doch sozusagen derjenige ist, der am meisten mit Mr. Tallboy zu tun hat –»
«Verstehe», sagte Ingleby. «Wo ist die junge Frau?»
«Nun ja, ich habe sie vorerst mal ins Kleine Konferenzzimmer gesetzt», erklärte Mr. Tompkin mit merkwürdiger Betonung auf «gesetzt», «aber wenn sie da wieder rauskommt (woran ich sie ja nicht hindern kann) und zu Mr. Pym geht, oder schon zu Miss Fearney – Sehen Sie, Sir, wenn jemand wie Miss Fearney in einer amtlichen Stellung ist, muß sie ja sozusagen bestimmte Dinge zur Kenntnis nehmen, ob sie will oder nicht. Es ist nicht so, als wenn Sie oder ich es wären, Sir.» Tompkin sah von Ingleby zu Bredon, um das «Sir» gerecht zwischen ihnen zu teilen.
Bredon, der auf seinem Notizblock Männchen malte, sah auf.
«Was ist sie für eine?» fragte er. «Ich meine –» als Tompkin zögerte – «haben Sie den Eindruck, daß sie echte Sorgen hat, oder will sie nur Krawall machen?»
«Nun, Sir», meinte Tompkin, «wenn Sie mich so fragen, würde ich sagen, sie ist mit allen Wassern gewaschen.»
«Ich gehe mal hin und sorge dafür, daß sie sich still verhält», sagte Bredon. «Aber sagen Sie auf jeden Fall Mr. Tallboy Bescheid, sobald er frei ist.»
«Jawohl, Sir.»
«Und sehen Sie zu, daß es nicht gleich die Runde macht. Vielleicht steckt gar nichts dahinter.»
«Ja, Sir. Ich bin keine Klatschbase. Aber der Junge, der bei mir am Empfang sitzt, Sir –»
«Ach ja! Sagen Sie ihm, er soll den Mund halten.»
«Ja, Sir.»
Bredon verließ das Zimmer mit einer Miene, als ob er von der selbstgestellten Aufgabe wenig erbaut sei. Bis er jedoch die Tür zum kleinen Konferenzzimmer öffnete, stand in seinem Gesicht nur noch liebenswürdige Hilfsbereitschaft. Er trat forsch ein, und sein geübtes Auge erfaßte mit einem Blick das ganze Erscheinungsbild der jungen Frau, die bei seinem Eintreten aufsprang: von den harten Augen über den verschlagenen Mund und die blutroten, spitzen Fingernägel bis zu den übereleganten Schuhen.
«Guten Tag», sagte er munter. «Sie wollen zu Mr. Tallboy? Er wird gleich kommen, aber im Augenblick sitzt er in einer Konferenz mit ein paar Kunden, und wir können ihn da unmöglich loseisen, darum hat man mich geschickt, damit ich Ihnen Gesellschaft leiste, bis er kommt. Rauchen Sie, Miss – äh – der Pförtner hat Ihren Namen nicht erwähnt.»
«Vasavour – Miss Ethel Vasavour. Wer sind Sie? Mr. Pym?»
Bredon lachte.
«Du lieber Himmel, nein! Ich bin ein ganz unwichtiges Rädchen – ein kleiner Texter, nichts weiter.»
«Aha. Sind Sie ein Freund von Jim?»
«Von Tallboy? Nicht direkt. Ich war nur zufällig da, und da bin ich eben hergekommen. Man hat mir nämlich gesagt, da sei eine sehr hübsche junge Dame für Mr. Tallboy, und ich hab mir gedacht, oho, da solltest du gleich mal hingehen, um ihr die trübe Wartezeit zu verkürzen.»
«Das ist sicher sehr nett von Ihnen», meinte Miss Vasavour mit einem etwas schrillen Lachen. «Aber wahrscheinlich hat Jim Sie nur geschickt, damit Sie versuchen, mich rumzukriegen. Das sieht Jim ähnlich. Sicher hat er sich schon durch den Hinterausgang aus dem Staub gemacht.»
«Ich versichere Ihnen, meine Verehrteste, daß ich Tallboy heute nachmittag noch gar nicht gesehen oder gesprochen habe. Und wenn er hört, daß ich hier war und mit Ihnen geplaudert habe, wird er sogar ziemlich sauer auf mich sein. Kein Wunder. Wenn Sie zu mir gekommen wären, würde ich mich auch ärgern, wenn irgendeiner hinginge und mir dazwischenfunkte.»
«Schenken Sie sich den Schmus», versetzte Miss Vasavour.
«Eure Sorte kenne ich. Ihr quasselt einem die Ohren vom Kopf. Aber das sage ich Ihnen, wenn Jim Tallboy sich einbildet, er kriegt mich rum, indem er seine geleck ten Freunde zum Süßholzraspeln schickt, dann irrt er sich.»
«Liebe Miss Vasavour, kann Sie denn nichts von diesem Mißverständnis abbringen? Mit anderen Worten, Sie sehen mich völlig falsch. Ich bin nicht hier, um in irgendeiner Weise Tallboys Interessen zu vertreten – höchstens insofern, als ich mir den sanften Hinweis gestatte, daß dieses Haus vielleicht nicht der geeignete Ort für Gespräche persönlicher und vertraulicher Natur ist. Wenn ich mir erlauben dürfte, Ihnen einen Rat zu geben, wäre nicht ein Treffen an einem anderen Ort und zu anderer Zeit
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