Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
Smoking – oder auch Herren ohne Smoking – sich in den Weißen Schwan verirrten, sozusagen zum Abschluß eines fröhlichen Abends. Nichts von alldem brachte irgendwelches Licht in die geheimnisvolle Geschichte mit dem Päckchen Kokain.
Zu einer gewissen Begeisterung fühlte Parker sich hingegen von Wimseys Bericht über sein Gespräch mit Milligan hingerissen.
«Was du doch für ein unwahrscheinliches Glück hast, Peter! Leute, die dich unter normalen Umständen meiden würden wie die Pest, kommen gerade im entscheidenden Moment uneingeladen auf deine Feste und halten dir ihre Nasen hin, damit du sie daran herumführen kannst.»
«Das war nicht nur Glück, mein Alter», sagte Wimsey. «Eher ein guter Riecher. Ich habe der schönen Dian einen anonymen Brief geschickt, in dem ich sie eindringlich vor mir warnte und ihr mitteilte, daß sie Näheres über mich im Hause meines Bruders erfahren könne. Es ist schon merk würdig, aber die Leute können anonymen Briefen einfach nicht widerstehen. Das ist wie mit Gratisproben. Sie appellieren an die niederen Instinkte.»
«Du bist ein Teufelskerl», sagte Parker. «Eines schönen Tages bringst du dich noch mal in Schwierigkeiten. Wenn Milligan dich nun erkannt hätte?»
«Ich hatte ihn schon geistig auf eine verblüffende Ähnlichkeit vorbereitet.»
«Ein Wunder, daß er dich nicht durchschaut hat. Familiäre Ähnlichkeit geht selten bis zu den Zähnen und sonstigen Einzelheiten.»
«Ich habe ihn nicht so nahe an mich herangelassen, daß er Einzelheiten hätte erkennen können.»
«Das hätte ihn schon mißtrauisch machen müssen.»
«Nein. Ich war nämlich ungezogen zu ihm. Er hat mir jedes Wort geglaubt, nur weil ich ungezogen war. Wenn einer sich bemüht, einen guten Eindruck zu machen, begegnet ihm jeder mit Mißtrauen, aber Ungezogenheit wird aus irgendwelchen Gründen immer als Garantie für Ehrlichkeit genommen. Der einzige, der Ungezogenheit je durchschaut hat, war Augustinus und ich glaube nicht, daß Milligan die Confessiones gelesen hat. Außerdem wollte er mir ja glauben. Er ist nämlich raffgierig.»
«Nun, du wirst zweifellos wissen, was du tust. Aber nun zu der Sache mit Victor Dean. Glaubst du wirklich, daß der Kopf dieser Drogenbande in der Werbeagentur Pym sitzt? Das klingt doch völlig unglaublich.»
«Ein ausgezeichneter Grund, es zu glauben. Ich meine nicht im Sinne von credo quia impossibile , sondern einfach weil die Belegschaft einer angesehenen Werbeagentur so ein hervorragendes Versteck für einen großen Verbrecher wäre. Die Werbung ist ein völlig anderes Verbrechen als der Rauschgifthandel.»
«Wieso? Soweit ich sehen kann sind Werbeleute auch nur Rauschgifthändler.»
«Richtig. O ja, wenn ich darüber nachdenke, entdecke ich eine feine Symmetrie von höchster künstlerischer Qualität. Trotzdem, Charles, ich muß gestehen, daß es auch mir schwerfällt, Milligan hier ganz und gar zu folgen. Ich habe mir das Personal von Pyms Werbedienst genau angesehen und bisher niemanden gefunden, der auch nur entfernt nach einem Napoleon des Verbrechens aussähe.»
«Andererseits bist du aber überzeugt, daß der Mord an Victor Dean von jemandem in der Agentur begangen wurde. Oder hältst du es jetzt für möglich, daß ein Außenstehender sich auf dem Dach versteckt und Dean beseitigt hat, weil er drauf und dran war, die Bande hochgehen zu lassen? Ich nehme doch an, daß ein Außenstehender auf das Pymsche Dach käme?»
«O ja, ganz leicht. Aber das würde die Schleuder in Mrs. Johnsons Schreibtisch nicht erklären.»
«Oder den Angriff auf mich.»
«Jedenfalls dann nicht, wenn es derselbe war, der Dean getötet und dich überfallen hat.»
«Du meinst, das könnte Willis gewesen sein? Ich glaube nicht, daß Willis dieser Napoleon des Verbrechens ist.»
«Willis ist in keiner Weise ein Napoleon. Und auch der Kerl mit der Schleuder nicht. Sonst hätte er soviel Verstand gehabt, eine eigene Schleuder zu benutzen und sie hinterher zu verbrennen. Ich sehe den Betreffenden als einen Menschen von großem Einfallsreichtum, aber begrenztem Weitblick; es ist einer, der nach allem greift, was sich ihm bietet, und das Beste daraus macht, aber ohne dieses eine zusätzliche Quentchen Überlegung, das die Sache erst zum richtigen Erfolg macht. Er lebt sozusagen von der Hand in den Mund. Ich möchte behaupten, daß ich ihn ohne große Schwierigkeiten fassen könnte – aber das ist es ja nicht, was du willst, oder?»
«Natürlich», sagte Parker mit
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