Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
Nachdruck.
«Das habe ich mir gedacht. Was ist bei näherem Hinse
hen schon ein kleiner Mord oder Totschlag gegen eine Methode des Rauschgiftschmuggels, aus der Scotland Yard nicht schlau wird? Gar nichts.»
«So ist es wirklich», antwortete Parker ernsthaft.
«Rauschgifthändler sind fünfzigmal schlimmer als Mörder. Sie morden Hunderte an Seele und Leib und verschulden nebenbei noch alle möglichen anderen Verbrechen unter ihrer Kundschaft. Dagegen ist einer, der einem unbedeutenden kleinen Würstchen den Schädel einschlägt, geradezu ein Wohltäter.»
«Ich muß sagen, Charles, für einen Mann mit deiner frommen Erziehung ist deine Einstellung geradezu aufgeklärt.»
«Und nicht einmal so unfromm. Fürchtet nicht den, der tötet, sondern den, der Macht hat, zu werfen in die Hölle. Was hältst du davon?»
«Tja, was wohl? Den einen hängen und den anderen für ein paar Wochen ins Gefängnis schmeißen – oder, wenn er eine gute gesellschaftliche Stellung hat, ihn mit Bewährung laufenlassen oder unter der Auflage guter Führung sechs Monate in Untersuchungshaft stecken.»
Parker verzog den Mund.
«Ich weiß, ich weiß. Aber was würde es nützen, die ar
men Opfer oder die kleinen Gauner zu hängen? Es träten schnell andere an ihre Stelle. Wir wollen die Leute an der Spitze. Nimm doch mal diesen Milligan. Er ist ein Schwein erster Güte und hat nicht die kleinste Entschuldigung, denn er ist nicht einmal selbst süchtig – aber angenommen, wir ergreifen und verurteilen ihn an Ort und Stelle. Die würden einen neuen Verteiler in ein neues Haus setzen, und was wäre damit gewonnen?»
«Stimmt genau», sagte Wimsey. «Und wieviel mehr wäre gewonnen, wenn du den Nächsthöheren über Milligan fangen könntest? Dasselbe würde passieren.»
Parker machte eine hilflose Gebärde.
«Ich weiß nicht, Peter. Es hat keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Meine Aufgabe ist, die Köpfe dieser Banden zu fangen, wenn es geht, und danach erst von den kleinen Fischen so viele wie möglich. Ich kann nicht Städte abreißen und ihre Einwohner verbrennen.»
«Das Feuer des Jüngsten Gerichts allein vermag diesen Ort zu reinigen», deklamierte Wimsey, «seine Scholle auszuglühen und seine Gefangenen freizusetzen. Es gibt Augenblicke, Charles, da finde ich die einfallslose Anständigkeit meines Bruders und die boshafte Tugend seiner Frau geradezu bewundernswert. Mehr kann ich kaum sagen.»
«Du selbst hast eine Art von Anständigkeit, Peter», er
widerte Parker, «die mir besser gefällt, weil sie nicht negativ ist.» Und nach diesem geschmacklosen Sentimentalitätsausbruch wurde er prompt knallrot im Gesicht und beeilte sich, den Fehltritt wiedergutzumachen. «Aber im Augenblick muß ich sagen, daß du nicht besonders hilfreich bist. Du bist jetzt seit Wochen einem Verbrechen – wenn es ein Verbrechen ist – auf der Spur, und das einzige spürbare Ergebnis ist bisher ein gebrochenes Schlüsselbein meinerseits. Wenn du dich wenigstens darauf beschränken könntest, dir dein eigenes Schlüsselbein bre –»
«Das war auch schon mal gebrochen», sagte Wimsey, «und in einer nicht minder guten Sache. Was steckst du auch dein blödes Schlüsselbein in meine Angelegenhei ten!»
In diesem Augenblick klingelte das Telefon.
Es war halb neun Uhr morgens, und Wimsey hatte mit seinem Schwager ein frühes Frühstück eingenommen, bevor jeder von ihnen an seinen Arbeitsplatz mußte. Lady Mary, die für ihr leibliches Wohl gesorgt und sie dann ihrem Streitgespräch überlassen hatte, nahm den Hörer ab.
«Ein Anruf vom Yard, Charles. Etwas wegen dieses Mr. Puncheon.»
Parker übernahm den Hörer und stürzte sich in eine angeregte Diskussion, die er mit den Worten beendete:
«Schicken Sie sofort Lumley und Eagles hin, und sagen Sie Puncheon, er soll mit Ihnen in Verbindung bleiben. Ich komme.»
«Was gibt's?» fragte Wimsey.
«Unser kleiner Freund Puncheon hat den Kerl im Smoking wiedergesehen», sagte Parker und versuchte fluchend, seinen Rock über die lädierte Schulter zu ziehen. «Trieb sich heute früh beim Verlagsgebäude des Morning Star herum und kaufte sich eine Frühausgabe oder so ähnlich. Offenbar ist Puncheon ihm seitdem auf den Fersen. Mittlerweile ist er schon in Finchley, ausgerechnet! Er sagt, er hätte nicht eher anrufen können. Ich muß weg. Bis später. Mach's gut, Mary. Tschüs, Peter.»
Und draußen war er.
«So, so», sagte Wimsey. Er stieß seinen Stuhl zurück und starrte
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