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Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Titel: Wimsey 09 - Mord braucht Reklame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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studiert und sagt, er habe früher viel Wald- und Wiesen-Cricket gespielt, aber ich hatte keine Ahnung, daß er so gut ist. Mein Gott!» unterbrach er sich, um einem besonders eleganten Schlag zu applaudieren.
    «So was hab ich noch nie gesehen.»
    «Haben Sie nicht?» erwiderte der alte Herr streng. «Al
    so, ich verfolge alle Cricketspiele seit sechzig Jahren, von Kindesbeinen an, und ich habe so etwas schon gesehen. Lassen Sie mich mal nachdenken. Vor dem Krieg muß das gewesen sein. Mein Gott, mein Gedächtnis für Namen scheint manchmal auch nicht mehr das zu sein, was es mal war, aber ich glaube, das war beim Universitätsturnier von 1910, oder es könnte auch 1911 gewesen sein – nein, nicht 1910, das war nämlich das Jahr, als –»
    Seine dünne Stimme ging in einem Aufschrei unter, als auf der Anzeigetafel die Zahl 170 erschien.
    «Noch einer, und wir haben gewonnen!» stöhnte Miss Rossiter. «Oh!» Denn in diesem Augenblick fiel Mr. Haagedorn der für einen unseligen Augenblick die Werfer vor sich hatte, einem wirklich bösen und fast unspielbaren Ball zum Opfer, der ihm um die Beine kurvte wie ein verspieltes Kätzchen und sein Wicket zum Einsturz brachte.
    Mr. Haagedorn kam fast in Tränen auf die Tribüne zu
    rück, und Mr. Wedderburn trat zitternd vor Nervosität in die Bresche. Er hatte nichts weiter zu tun, als vier Bälle zu überstehen, dann war das Spiel, wenn nicht ein Wunder geschah, gewonnen. Der erste Ball stieg verführerisch in die Höhe, ein wenig kurz, und Mr. Wedderburn machte einen Schritt nach vorn, verfehlte ihn und huschte in letzter Sekunde zu seinem Wicket zurück. «Vorsicht, Vorsicht!» stöhnte Miss Rossiter, und der alte Mr. Brotherhood fluchte. Den nächsten Ball konnte Mr. Wedderburn ein Stückchen zurückschlagen. Er wischte sich über die Stirn. Der nächste Wurf war ein Schlenzer, und bei dem Versuch, ihn abzublocken, jagte er ihn senkrecht in die Luft. Für die Dauer einer Sekunde, die ihnen wie Stunden erschien, sahen die Zuschauer den wirbelnden Ball – die ausgestreckte Hand – dann fiel der Ball zu Boden – haarscharf vorbei.
    «Ich schreie gleich», sagte Mrs. Johnson zu niemandem im besonderen. Mr. Wedderburn, jetzt vollends mit den Nerven am Ende, wischte sich erneut die Stirn ab. Zum Glück war aber auch der Werfer mit den Nerven am Ende. Der Ball rutschte ihm aus den verschwitzten Fingern und ging viel zu weit nach links.
    «Finger weg! Finger weg!» schrie Mr. Brotherhood und schlug wie wild mit seinem Stock um sich. «Laß die Finger davon, du Holzkopf! Du Schwachkopf! Du –»
    Mr. Wedderburn, der mittlerweile restlos den Kopf verloren hatte, hob sein Schlagholz, holte weit aus, verfehlte sein Ziel, hörte das Klatschen von Leder auf Leder, als der Ball in den Händen des Wickethüters landete, und tat das einzig mögliche. Er warf sich mit dem ganzen Körper nach hinten und landete auf dem Hosenboden im Aufstellungsraum, und im selben Moment, als er sich hinsetzte, hörte er das helle Klappern der fallenden Stäbe.
    «Bitte, Sir!» ertönte die Aufforderung an den Schiedsrichter.
    «Nicht aus!» lautete die Entscheidung.
    «Der Dussel! Dieser hohlköpfige, begriffsstutzige Laffe!» kreischte Mr. Brotherhood. Er hüpfte vor Wut auf und nieder.
    «Hätte beinahe das ganze Spiel verdorben! Weggeworfen! Der Mann ist ein Idiot! Ein Idiot, sage ich! Ein Idiot, sag ich Ihnen!»
    «Nun, nun, es ist doch gutgegangen, Mr. Brotherhood», sagte Mr. Hankin begütigend. «Das heißt, für Ihre Seite ist es ja leider gar nicht gut.»
    «Unsere Seite, unsere Seite!» schrie Mr. Brotherhood. «Ich bin hier, um Cricket zu sehen, kein Flohhüpfen. Es ist mir egal, wer gewinnt oder verliert, Sir, wenn hier nur Cricket gespielt wird. Na also, bitte!»
    Noch fünf Minuten waren zu spielen, und Wimsey sah den ersten Ball des neuen Wechsels auf sich zugerast kommen. Es war ein Prachtwurf. Eine Gabe Gottes. Er jagte ihn davon wie Saul die Philister. Der Ball schoß in einer herrlichen Parabel in die Lüfte, landete mit einem Donner wie beim Jüngsten Gericht auf dem Pavillon, hüpfte das Blechdach hinunter, fiel in die Absperrung, hinter der die Punktrichter saßen, und zerschlug eine Limonadenflasche. Das Spiel war gewonnen.
    Mr. Bredon, der um halb sechs mit 83 Läufen auf dem Konto zum Pavillon zurückgeschlendert kam, sah sich von Mr. Brotherhood dem Älteren abgefangen und festgehalten.
    «Wunderbar gespielt, Sir, wirklich wunderbar gespielt», sagte der alte Herr.

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