Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
rückwärts taumelte, stellte Parker ein Bein, als dieser vom Trittbrett sprang, und rannte wie ein Hase zum Tor. Zwei Polizisten und ein Reporter warfen sich ihm in den Weg. Er wich den Polizisten aus, rempelte den Reporter um, sauste durchs Tor und führte eine wilde Jagd durch Whitehall an. Im Laufen hörte er hinter sich lautes Rufen und Pfeifen. Passanten nahmen die Verfolgung auf; Autofahrer gaben Gas und versuchten ihm den Weg abzuschneiden; in Omnibussen drängten sich die Fahrgäste an die Fenster und glotzten. Er stürzte sich behende ins Verkehrsgewühl, rannte dreimal um das Cenotaph, lief auf der anderen Straßenseite in entgegengesetzter Richtung zurück und ließ sich schließlich mitten auf dem Trafalgar Square auf dramatische Weise ergreifen. Parker und Lumley kamen keuchend angerannt.
«Hier ist er, Mister», sagte der Mann, der ihn ergriffen hatte – ein großer, kräftiger Kanalarbeiter mit einer Werkzeugtasche.
«Hier ist er. Was hat er denn angestellt?»
«Er steht unter Mordverdacht», verkündete Parker kurz und laut.
Ein Murmeln der Bewunderung erhob sich. Wimsey warf einen verachtungsvollen Blick auf Sergeant Lumley.
«Ihr Polypen seid alle viel zu fett», sagte er. «Ihr könnt ja nicht mehr laufen.»
«Schon recht», antwortete der Sergeant grimmig. «Hände her, mein Junge. Wir wollen kein Risiko mehr eingehen.»
«Bitte sehr, bitte sehr. Sind Ihre Finger auch sauber? Ich will mir nicht die Manschetten beschmutzen lassen.»
«Jetzt reicht's», sagte Parker, als die Handschellen zuklickten. «Sie machen uns keinen Ärger mehr. Mitkommen, bitte, hier geht's lang.»
Die kleine Prozession kehrte zum Yard zurück.
«Ich schmeichle mir, das recht hübsch gemacht zu haben», sagte Wimsey.
«Grr!» machte Lumley und rieb sich das Kinn. «So fest hätten Sie auch nicht gleich zuschlagen müssen, Mylord.»
«Es sollte echt wirken», sagte Wimsey, «echt. Sie waren ein Anblick für die Götter, als Sie hinflogen.»
«Grr!» machte Sergeant Lumley.
Eine Viertelstunde später verließ ein Polizist, dessen Hose ein wenig zu lang und dessen Uniformrock ein wenig zu weit war, das Gebäude des Yard durch einen Nebenausgang, stieg in einen Wagen und ließ sich die Pall Mall entlang zum diskreten Eingang des E gotists Club fahren. Dorthinein verschwand er und ward nie mehr gesehen, aber bald darauf trat ein makellos gekleideter Herr im Abendanzug und Seidenzylinder aus der Tür und blieb auf der Treppe stehen, um auf ein Taxi zu warten. Ein älterer Herr von militärischem Aussehen stand neben ihm.
«Sie werden mir verzeihen, Colonel? Ich bleibe nicht lange fort. Dieser Bredon ist eine furchtbare Plage, aber was soll man machen? Ich meine, man muß ja irgend etwas unternehmen.»
«Ganz recht, ganz recht», sagte der Colonel.
«Ich hoffe nur, daß es das letzte Mal ist. Wenn er wirklich getan hat, was man ihm vorwirft, ist es das letzte Mal.»
«Ganz recht, mein lieber Wimsey», sagte der Colonel. «Ganz recht.»
Das Taxi kam.
«Scotland Yard», sagte Wimsey vernehmlich.
Das Taxi fuhr davon.
Am Sonntagmorgen blätterte Miss Meteyard im Bett die Zeitungen durch und sah ihre Aufmerksamkeit von riesigen Schlagzeilen gefangen:
VERHAFTUNG IM MORDFALL DE MOMERIE
BERÜHMTE HERZOGSFAMILIE VERWICKELT
INTERVIEW MIT LORD PETER WIMSEY
und dann:
DER MÖRDER MIT DER PENNYFLÖTE
MASKIERTER VERHAFTET
GESPRÄCH MIT CHEFINSPEKTOR PARKER
und noch einmal:
FLÖTENDER HARLEKIN GEFASST
DRAMATISCHE JAGD DURCH WHITEHALL
HERZOGSBRUDER BESUCHT SCOTLAND YARD
Es folgten lange, ausgeschmückte Schilderungen der Verhaftung; Bilder von der Stelle, wo die Leiche gefunden worden war; Artikel über Lord Peter Wimsey, die Familie, ihren historischen Sitz in Norfolk; über das Londoner Nachtleben und Pennyflöten. Der Herzog von Denver war interviewt worden, hatte sich aber geweigert, etwas zu sagen; Lord Peter Wimsey dagegen hatte sehr viel gesagt. Schließlich – und das wunderte Miss Meteyard sehr – sah man ein Foto, auf dem Lord Peter und Mr. Death Bredon nebeneinander standen.
«Es wäre sinnlos», sagte Lord Peter Wimsey in einem Interview, «angesichts der bemerkenswerten Ähnlichkeit zwischen uns zu leugnen, daß dieser Mann und ich miteinander verwandt sind. Er hat mir sogar schon verschiedentlich Scherereien bereitet, indem er sich für mich ausgab. Wenn Sie uns zusammen sähen, würden Sie feststellen, daß er der Dunklere von uns beiden ist; natürlich gibt es auch einige kleine Unterschiede in
Weitere Kostenlose Bücher