Wimsey 09 - Mord braucht Reklame
Wally Potts, indem er eine große beamtete Hand ausstreckte. «Du gibst das Heft jetzt mir, verstanden? Ich leg's zu mir in die Schublade, und morgen früh kannst du es wiederhaben. Und legt euch jetzt um Gottes willen schlafen, alle beide.»
«Wirst du's auch nicht lesen, Wally?»
«Na schön, ich werd's nicht lesen, wenn du so furchtbar empfindlich bist.»
Rotfuchs gab widerstrebend, aber im Vertrauen auf Wallys Ehre, das Heft heraus.
«So ist's recht», sagte Wally, «und wenn ich jetzt noch was von euch höre, könnt ihr euch beide auf was gefaßt machen, verstanden?»
Er stolzierte davon, gigantisch in seinem gestreiften Schlafanzug.
Rotfuchs-Joe rieb sich die Körperteile, die bei dem Kampf in Mitleidenschaft gezogen worden waren, zog die Bettdecke fest um sich und tröstete sich, indem er sich eine neue Fortsetzung jener nächtlichen Erzählung vortrug, deren Autor und Held er gleichzeitig war:
«Geschunden und zerschlagen, aber ungebrochen in seinem Mut, ließ der berühmte Detektiv sich auf sein hartes Strohlager in dem rattenverseuchten Verlies zurücksinken. Trotz seiner schmerzenden Wunden war er glücklich, denn er wußte, daß die Dokumente in Sicherheit waren. Er mußte lachen, wenn er sich den verdutzten Verbrecherkönig vorstellte, wie er in seinem vergoldeten orientalischen Salon mit den Zähnen knirschte. ‹Wieder hereingelegt, Falkenauge!› knurrte der schurkische Doktor. ‹Aber nächstes Mal bin ich am Zug!› Unterdessen …»
Detektive haben ein schweres Leben.
8
Schwerste Erschütterung einer
Werbeagentur
Es geschah am Freitag der Woche, in der alle diese aufwühlenden Ereignisse stattfanden, daß Pyms Werbedienst von dem großen Nutrax-Krach erschüttert wurde, der das Unternehmen von den Fundamenten bis zum Dach erbeben ließ, das sonst so friedliche Haus in ein Heerlager verwandelte und fast sogar das traditionelle Cricketspiel der Belegschaft gegen die Mannschaft von Brotherhood Ltd. gefährdet hätte.
Initiator dieses Krachs war der fleißige, verdauungsgestörte Mr. Copley. Wie die meisten Unruhestifter handelte er von Anfang bis Ende mit den besten Absichten – und wirklich, wenn man aus der gelassenen Perspektive der Ferne und Unparteilichkeit auf den Aufruhr zurückblickt, fällt es schwer zu sagen, was er denn anderes hätte tun können als das, was er tat. Aber wie schon Mr. Ingleby seinerzeit bemerkte: «Es ist nicht, was Mr. Copley tut, sondern wie er es tut.» Und in der Hitze und Wut des Kampfes, wenn die Leidenschaften starker Männer erregt sind, leidet oft die Urteilsfähigkeit.
Angefangen hatte alles so:
Am Donnerstagabend um Viertel nach sechs war das Gebäude menschenleer, bis auf die Putzfrauen und Mr. Copley, der zufällig ausnahmsweise einmal Überstunden machen mußte, um eine eilige Serie von Sonderangebotsanzeigen für Jamboree-Gelees fertig zu machen. Er kam gut damit voran und hoffte, um halb sieben fertig zu werden und somit pünktlich um halb acht zum Abendes sen zu Hause zu sein. Da begann im Versand das Telefon laut und beharrlich zu klingeln.
«Hol's der Kuckuck!» sagte Mr. Copley, ärgerlich über den Lärm. «Die dürften doch wissen, daß wir Feierabend haben. Oder erwarten sie von uns, daß wir die Nacht durcharbeiten?»
Er arbeitete weiter und verließ sich darauf, daß der Krach von selbst aufhören würde. Er hörte auch bald auf, und dafür hörte er Mrs. Crumps schrille Stimme, die den Anrufer belehrte, daß niemand mehr im Haus sei. Er schluckte eine Natrontablette.
Sein Satz entwickelte sich herrlich: «Der echte Fruchtgeschmack, wie frisch aus dem eigenen Garten – Aprikosen, gereift in der sonnigen Wärme eines alten ummauerten …»
«Entschuldigung, Sir.»
Mrs. Crump war schüchtern mit ihren Stoffpantinen herangeschlurft und schob ängstlich den Kopf um den Türpfosten.
«Was gibt's denn schon wieder?» fragte Mr. Copley.
«Bitte, Sir, entschuldigen Sie, aber da ist der Morni ng Star am Telefon und fragt nach Mr. Tallboy. Ich hab schon gesagt, daß alle nach Hause gegangen sind, aber sie sagen, es ist sehr wichtig, Sir, und da hab ich gedacht, ich frag Sie lieber mal.»
«Worum geht's denn?»
«Irgendwas mit der Anzeige für morgen, Sir – da stimmt was nicht, sagen sie, und ob sie sie nun ganz weglassen sollen oder ob wir ihnen etwas anderes schicken, Sir.»
«Also gut», sagte Mr. Copley resigniert. «Dann gehe ich wohl besser mal hin und rede mit ihnen.»
«Ich weiß nicht, ob es richtig von mir war, Sir»,
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