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Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Wimsey 09 - Mord braucht Reklame

Titel: Wimsey 09 - Mord braucht Reklame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Erzählen Sie der lieben Dian, daß ich ein sehr geheimnisvoller Mensch bin. Sie selbst wissen nie, wo ich anzutreffen bin. Lassen Sie durchblikken, daß ich wahrscheinlich meilenweit weg bin – in Paris oder Wien, an irgendeinem klangvollen Ort. Sie werden bestimmt den richtigen Ton anschlagen. Ein bißchen Phillips Oppenheim mit einem Schuß Ethel M. Dell und Elinor Glyn.»
    «O ja, das kann ich.»
    «Und Sie dürfen ihr auch sagen, daß sie mich wahrscheinlich irgendwann wiedersehen wird, wenn sie am wenigsten mit mir rechnet. Deuten Sie an, wenn es Ihnen nichts ausmacht, sich so vulgär auszudrücken, daß ich ein Windhund bin, hinter dem sie alle furchtbar her sind, ohne mich zu kriegen. Lassen Sie sich etwas einfallen. Sorgen Sie für Spannung.»
    «Wird gemacht. Soll ich übrigens eifersüchtig sein?»
    «Wenn Sie wollen, gern. Sie soll ruhig das Gefühl haben, Sie versuchten sie abzuwimmeln. Die Jagd ist schwer genug, da legen Sie keinen Wert auf Konkurrenz.»
    «Gut. Das dürfte mir nicht schwerfallen.»
    «Wie bitte?»
    «Nichts. Ich habe nur gesagt, ich werd's schon schaffen.»
    «Sie werden es bestimmt sehr gut machen. Ich verlasse mich voll und ganz auf Sie.»
    «Danke. Wie kommen Sie mit Ihren Ermittlungen voran?»
    «Soso.»
    «Erzählen Sie mir irgendwann davon, ja?»
    «Gern. Sowie es etwas zu erzählen gibt.»
    «Kommen Sie mal an einem Samstag oder Sonntag zu mir zum Tee?»
    «Es wäre mir ein Vergnügen.»
    «Ich nehme Sie beim Wort.»
    «O ja, bitte. Also dann, gute Nacht.»
    «Gute Nacht – Windhund.»
    «Adieu!»
    Wimsey legte den Hörer auf. «Hoffentlich», dachte er, «macht die mir keine Geschichten. Diesen jungen Dingern ist nicht zu trauen. Von Standfestigkeit keine Spur. Höchstens dann, wenn Standfestigkeit ausdrücklich nicht gewünscht wird.»
    Er verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen und ging fort, um seine Verabredung mit einer jungen Frau einzuhalten, die ihm bisher in keiner Weise entgegenzukommen versprach, und was er bei dieser Gelegenheit sagte oder tat, hat mit unserer Geschichte nicht das allermindeste zu tun.

    Rotfuchs-Joe stemmte sich vorsichtig im Bett hoch und sah sich im Zimmer um.
    Sein älterer Bruder – nicht der Polizist, sondern der sechzehnjährige Bert, der Naseweis – lag beruhigend tief im Schlaf, zusammengekringelt wie ein Hund und sicher von Motorrädern träumend. Der Schein der Straßenlaterne fiel auf den unbeweglichen Buckel, den er unter der Bettdecke machte, und warf einen schwachen Schimmer auf Joes schmales Bett.
    Unter dem Kopfkissen zog Joe ein Schulheft und einen Bleistiftstummel hervor. Ungestörtheit gab es in Joes Leben kaum, und so mußte er die Gelegenheiten beim Schopf packen, wie sie sich boten. Er leckte den Bleistift an, klappte das Heft auf und begann die erste Seite mit der großen, krakeligen Überschrift:
    BERICHT.
    Hier stockte er. Er wollte mit diesem Bericht Ehre einle
    gen, aber die Aufsatzübungen, die er in der Schule hatte machen müssen, waren da nicht sehr hilfreich. «Mein Lieblingsbuch», «Was ich tun möchte, wenn ich einmal groß bin», «Was ich im Zoo gesehen habe» – lauter schöne Themen, aber für einen aufstrebenden jungen Detektiv nicht von großem Nutzen. Einmal war ihm die große Ehre widerfahren, einen Blick in Wallys Notizbuch werfen zu dürfen (Wally war der Polizist), und darin fingen die Berichte alle etwa so an: «Um 20.30 Uhr ging ich durch die Wellington Street» – ein guter Anfang, nur im vorliegenden Falle nicht anwendbar. Auch der Stil von S exton Bla ke , so kraftvoll er war, eignete sich besser für die Schilderung packender Ereignisse als für eine Aufzählung von Namen und Fakten. Und über allem hing noch drohend das schwierige Problem der Orthographie – von jeher ein Stolperstein. Rotfuchs hatte das unbestimmte Gefühl, daß ein Bericht voller Rechtschreibfehler nicht sehr vertrauenerweckend sein könne.
    In dieser Notsituation zog er seinen gesunden Menschenverstand zu Rate und fand in ihm einen guten Führer.
    «Am besten fange ich am Anfang an», sagte er bei sich, und damit drückte er die Bleistiftmine kräftig aufs Papier, zog die Stirn in wild entschlossene Falten und schrieb:

    BERICHT
    von Joseph L. Potts (14½ Jahre)
    Nach kurzem Nachdenken fand er, daß hierzu noch einige ergänzende Angaben notwendig seien, und fügte seine Adresse und das Datum hinzu. Der Bericht ging dann weiter:
    «Ich hab mit den andern über die Schläu- (ausradiert) Schleuder geredet. Bill Jones

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