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Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel

Titel: Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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restlichen ohne Gefahr für die Seele weltlichen Zwecken zugeführt werden konnten. Darob begab sich dann der gute Padre rasch zur Hütte, von wo er nach einer Stunde voll der guten Kunde über den Zauberer zurückkehrte.
    »Denn, meine Kinder«, sagte er, »dieser Zauberer ist kein böser Hexenmeister, sondern ein Christenmensch, der die Sprache des Glaubens spricht. Er und ich haben ein erbauliches Gespräch geführt. Überdies hat er einen sehr guten Wein und ist im ganzen eine sehr würdige Persönlichkeit. Auch habe ich weder Hausgeister noch Flammenerscheinungen gesehen; aber wahr ist, daß er ein Kruzifix an der Wand hängen hat und ein sehr schönes Neues Testament mit goldenen und farbigen Bildern besitzt. Benedicite , meine Kinder. Er ist ein braver und gelehrter Mann.«
    Damit kehrte er ins Pfarrhaus zurück, und in diesem Winter bekam die Marienkapelle ein neues Altartuch.
    Von da an sah man allabendlich ein kleines Grüppchen in sicherer Entfernung von der Hütte stehen und der Musik lauschen, die aus den Fenstern des Zauberers drang, und dann und wann schlichen ein paar besonders Wagemutige sich so nah heran, daß sie durch die Ritzen in den Läden spähen und einen Blick auf die Wunder drinnen tun konnten.
    Der Zauberer wohnte schon einen Monat dort, als er eines Abends nach dem Essen dasaß und eine Unterredung mit seinem Diener hatte. Er hatte die schwarze Kapuze vom Kopf geschoben, und darunter waren ein schimmernder Schopf blonder Haare und ein Paar humorvoller grauer Augen zum Vorschein gekommen, deren schwere Lider ihnen etwas leicht Zynisches gaben. Vor ihm auf dem Tisch stand ein Glas Cockburn 1908, und auf seiner Stuhllehne saß ein rot-grüner Papagei und starrte unverwandt ins Feuer.
    »Die Zeit vergeht, Juan«, sagte der Zauberer. »Die Sache hier macht mir zwar Riesenspaß, aber tut sich nun endlich etwas mit der alten Dame?«
    »Ich glaube, ja, Mylord. Ich habe da und dort ein Wort von Wundern und Wunderheilungen fallenlassen. Ich glaube, sie wird bald kommen. Vielleicht schon heute abend.«
    »Dem Himmel sei Dank! Ich möchte die Geschichte hinter mich bringen, bevor Wetherall zurückkommt, sonst sitzen wir alle ganz schön in der Tinte. Es dauert nämlich ein paar Wochen, bis wir hier weg können, selbst wenn der Plan überhaupt gelingt. Menschenskind, was ist denn das?«
    Juan erhob sich und ging ins Hinterzimmer, von wo er ein paar Augenblicke später mit dem Lemur unterm Arm wiederkam.
    »Micky hat mit Ihren Haarbürsten gespielt«, sagte er nachsichtig. »Sei still, du ungezogener Bengel. Könnten wir jetzt wieder ein bißchen üben, Mylord?«
    »O ja, gern. Ich werde noch richtig gut in diesem Gewerbe. Wenn alles andere schiefgeht, bewerbe ich mich beim Varieté.«
    Juan lachte und ließ die weißen Zähne sehen. Er holte einen Satz Billardbälle, Münzen und andere Zauberrequisiten, die er im Gehen lässig verschwinden und vervielfacht wieder auftauchen ließ. Der andere nahm sie von ihm entgegen, und der Unterricht ging weiter.
    »Pst!« sagte der Zauberer, indem er einen Billardball, der ihm mitten im Verschwinden ärgerlicherweise aus den Fingern geglitten war, wieder aufhob. »Da kommt jemand den Weg herauf.«
    Er zog sich die Kapuze über den Kopf und schlüpfte leise ins Hinterzimmer. Juan grinste, entfernte Karaffe und Glas und löschte die Lampe. Die großen Augen des Lemurs, der an der Rückenlehne des Stuhls hing, funkelten hell im Feuerschein. Juan nahm ein großes Buch vom Regal, zündete ein Weihrauchstäbchen in einem seltsam geformten Kupfergefäß an und zog den schweren Eisenkessel vor, der auf dem Herd stand. Während er Holzscheite darum aufschichtete, klopfte es. Er ging die Tür öffnen, auf den Fersen gefolgt von dem Äffchen.
    »Wen sucht Ihr, Mutter?« fragte er auf baskisch.
    »Ist der Weise zu Hause?«
    »Sein Leib ist zu Hause, Mutter; sein Geist hält Rat mit dem Unsichtbaren. Tretet ein. Was wollt Ihr von uns?«
    »Ich bin gekommen, wie gesagt – Heilige Mutter Gottes! Ist das ein Geist?«
    »Gott schuf Geister und Körper gleichermaßen. Tretet ein und fürchtet Euch nicht.«
    Die alte Frau trat zitternd ein.
    »Habt Ihr mit ihm über das gesprochen, was ich Euch erzählt habe?«
    »Ja. Ich habe ihm die Krankheit Eurer Herrin geschildert
    – die Leiden ihres Gatten – alles.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Nichts. Er hat in seinem Buch gelesen.«
    »Glaubt Ihr, er kann ihr helfen?«
    »Ich weiß es nicht; es ist ein starker Zauber, aber mein Meister

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