Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
sich sehen lassen, ohne für Sie zu erröten.«
Wimsey beugte die Lockenperücke mit der blutroten Mütze galant über die knorrige Hand, die ihm geboten wurde.
»Sie machen mich zum Glücklichsten unter den Männern. Wir werden denen mal zeigen, wie’s gemacht wird. Rechte Hand, linke Hand, beide Hände über Kreuz, Rükken an Rücken, rundherum und ab durch die Mitte. Da geht Deverill gerade der Kapelle Bescheid sagen, daß sie anfangen soll. Pünktlich wie die Uhr, der alte Knabe, wie? Nur noch zwei Minuten … Was ist los, Miss Carstairs? Haben Sie Ihren Partner verloren?«
»Ja – haben Sie Tony Lee irgendwo gesehen?«
»Den Weißen König? Keine Spur von ihm. Auch nicht die Weiße Königin. Wahrscheinlich sind sie zusammen irgendwohin gegangen.«
»Anzunehmen. Der arme Jimmie Playfair sitzt geduldig wartend im Nordgang und macht ein Gesicht.«
»Dann sollten Sie vielleicht hingehen und ihn trösten«, meinte Wimsey lachend.
Joan Carstairs schnitt eine Grimasse und machte sich in Richtung Büffet davon, gerade als Sir Charles Deverill, der Hausherr, prächtig anzusehen in seinem chinesischen Kostüm mit roten und grünen Drachen, Bambusrohren, Kreisen und Schriftzeichen und einem ausgestopften Vogel mit riesigem Schweif auf der Schulter, zu Wimsey und seiner Begleiterin geeilt kam.
»Also jetzt«, rief er, »alle mitkommen, mitkommen, mitkommen! Alle antreten zum Sir Roger! Haben Sie Ihre Partnerin, Wimsey? Ah, ja, Lady Hermione – ausgezeichnet. Sie müssen gleich neben Ihrer lieben Mutter und mir stehen, Wimsey. Kommen Sie nicht zu spät, nein? Wir wollen ihn geradewegs durchtanzen. Die Weihnachtssänger fangen um zwei an – hoffentlich kommen sie rechtzeitig. Meine Güte aber auch – warum sind die Dienstboten noch nicht hier? Ich habe doch Watson gesagt – ich muß mal hin und mit ihm reden.«
Er schoß davon, und Wimsey führte seine Partnerin lachend ans obere Ende des Saals, wo seine Mutter, die Herzoginwitwe von Denver, schon in ihrer ganzen Pracht als Pik-Dame wartete.
»Ah, da bist du ja«, sagte die Herzogin sanft. »Der gute Sir Charles – er wurde schon richtig unruhig. So etwas von Pünktlichkeit – er hätte als königliche Hoheit zur Welt kommen sollen. Ein herrliches Fest, nicht wahr, Hermione?
Sir Roger und die Weihnachtssänger – richtig mittelalterlich – und ein Julscheit in der Halle, dazu die Dampfheizung und alles – so drückend!«
»Dumti, dumti, dideldi, dumti, dumti, dideldi«, sagte Lord Peter, als die Kapelle die alte Melodie anstimmte.
»Wie ich diese Musik liebe! Hurtig setzt die Füßchen vor – oh, da ist ja Gerda Bellingham – hallo! Euer königlicher Gemahl erwartet Eurer Roten Majestät Befehle am Büffet. Holen Sie ihn schleunigst her – er hat nur noch eine halbe Minute.«
Die Rote Königin lächelte ihn an; ihr blasses Gesicht mit den dunklen Augen strahlte unter der roten Perücke und Krone in unerwartetem Glanz.
»Ich werde ihn schon pünktlich herbekommen«, sagte sie und ging lachend weiter.
»Und ob sie wird«, sagte die Herzoginwitwe. »Den jungen Mann seht ihr in Kürze im Kabinett. So ein hübsches Paar auf einem öffentlichen Podest, und so gesunde Ansichten über Schweine, höre ich, und das ist doch für unser britisches Frühstück so wichtig.«
Sir Charles Deverill kam ein wenig echauffiert zurückgeeilt und nahm seinen Platz am oberen Ende der Doppelreihe ein, in der die Gäste standen und die mittlerweile über drei Viertel des Ballsaals reichte. Am unteren Ende, unmittelbar vor der Musikergalerie, hatte sich das Personal aufgestellt, um im rechten Winkel zum Hauptkontingent einen zweiten Sir Roger zu bilden. Die Uhr schlug halb. Sir Charles verdrehte besorgt den Hals, um die Tänzer zu zählen.
»Achtzehn Paare. Das sind zwei zuwenig. Wie ärgerlich! Wer fehlt denn da?«
»Die Bellinghams?« meinte Wimsey. »Nein, die sind hier. Es fehlen das weiße Königspaar sowie Badminton und Diabolo.«
»Da ist Badminton!« rief Mrs. Wrayburn und zeigte aufgeregt durch den Saal. »Jim! Jim! Herrgott! Jetzt ist er wieder zurückgegangen. Er wartet auf Charmian Grayle.«
»Also, wir können jetzt nicht mehr länger warten«, erklärte Sir Charles verärgert. »Herzogin, würden Sie den Anfang machen?«
Die Herzoginwitwe warf gehorsam ihre schwarze Samtschleppe über den Arm und tänzelte durch die Mitte davon, wobei sie ein ungewöhnlich hübsches Paar roter Fesseln präsentierte. Die beiden Reihen Tänzer fielen hüpfend in den
Weitere Kostenlose Bücher