Wimsey 10 - Das Bild im Spiegel
nicht mehr kräftig genug.«
»Schlimm«, sagte Monty mitfühlend, während er in die High Holborn einbog. Das etwa sechzehnjährige Mädchen gefiel ihm, und er nahm sich fest vor, da »etwas zu unternehmen«.
Es gab anscheinend noch mehr Leute, die zehn Shilling für eine Katze als ein gutes Geschäft ansahen. Auf dem Gehsteig vor dem schmuddeligen kleinen Restaurant in Soho drängten sich die Katzenbesitzer, die einen mit Körben, die andern mit ihren Tieren auf dem Arm. Die Luft war erfüllt vom kläglichen Miauen der Gefangenen.
»Die Konkurrenz ist groß«, sagte Monty. »Nun gut, der Posten scheint aber noch nicht vergeben zu sein. Halten Sie sich an mich, dann wollen wir mal sehen, was wir tun können.«
Sie mußten eine ganze Weile warten. Offenbar wurden die Kandidaten durch einen Hinterausgang hinausgelassen, denn obwohl viele hineingingen, kam nie jemand heraus. Endlich ergatterten sie einen Platz in der Reihe auf der Treppe, und nach einer weiteren Ewigkeit standen sie vor einer dunklen, wenig einladenden Tür. Diese wurde bald darauf von einem untersetzten Mann mit runzligem Gesicht und sehr scharfen kleinen Augen geöffnet, der mit barscher Stimme sagte: »Der nächste bitte!« Sie traten ein.
»Mr. John Doe?« fragte Monty.
»Ja. Haben Sie Ihre Katze bei sich? Ach so, sie gehört der jungen Dame. Verstehe. Nehmen Sie bitte Platz. Name und Adresse, Miss?«
Das Mädchen nannte eine Adresse südlich der Themse, und der Mann notierte sie sich, »für den Fall«, wie er dazu erklärte, »daß der ausgewählte Kandidat sich als unbefriedigend erweisen sollte und ich Ihnen noch einmal schreiben müßte. So, und nun lassen Sie mal die Katze ansehen.«
Der Korb wurde geöffnet, und über dem Rand erschien ein mißmutiger roter Kopf.
»Aha, ja. Schönes Exemplar. Na, du arme Mieze? Sehr freundlich scheint sie aber nicht zu sein.«
»Er ist noch verängstigt von der Reise, aber wenn er Sie erst kennt, ist er sehr lieb und ein prima Mäusefänger. Und ganz stubenrein.«
»Das ist wichtig. Sauber muß er sein. Und er muß für seinen Lebensunterhalt arbeiten, nicht wahr?«
»Oh, das tut er. Er geht auf Ratten und alles los. Wir nennen ihn Maher-Schalal-Haschbas, weil er ›schnell Beute macht‹. Aber er hört auf Masch, nicht wahr, mein Schatz?«
»Aha. Nun, er scheint bei guter Kondition zu sein. Keine Flöhe? Keine Krankheiten? Meine Frau ist da sehr eigen.«
»O nein! Er ist ein kerngesunder Kater. Von wegen Flöhe!«
»Ich wollte Sie nicht kränken, aber ich muß da sehr genau sein, weil wir ihn ja auch sehr lieb haben wollen. Seine Farbe gefällt mir nicht so ganz. Zehn Shilling sind ein hoher Preis für einen roten Kater. Ich weiß nicht, ob –«
»Na, na«, mischte Monty sich ein. »In Ihrem Inserat stand nichts über die Farbe. Die junge Dame hat einen weiten Weg gemacht, um Ihnen ihren Kater zu bringen, da können Sie nun nicht von ihr erwarten, daß sie sich mit weniger zufrieden gibt, als ihr geboten wurde. Eine bessere Katze könnten Sie sich außerdem gar nicht wünschen; jedermann weiß, daß die Roten die besten Mäusejäger sind
– sie haben mehr Mumm. Und sehen Sie sich mal diese schöne weiße Brust an. Daran können Sie sehen, wie sauber dieses Tier ist. Und dann hat seine Farbe noch einen Vorteil – Sie können den Kater sehen – Sie und Ihre liebe Frau brauchen nicht in dunklen Ecken über ihn zu stolpern, wie einem das mit diesen schwarzen und grauen immer passiert. Überhaupt sollten wir für diese schöne Farbe noch einen Zuschlag verlangen. Rote Katzen sind viel seltener und haben viel mehr Klasse als gewöhnliche.«
»Da ist was dran«, räumte Mr. Doe ein. »Also gut, Miss Maitland. Ich schlage vor, Sie bringen Maher – oder wie er sonst heißt – heute abend zu uns nach Hause, und wenn er meiner Frau gefällt, nehmen wir ihn. Hier ist die Adresse. Aber Sie müssen bitte um Punkt sechs Uhr da sein, weil wir später noch ausgehen wollen.«
Monty sah sich die Adresse an. Sie war unweit der nördlichen Endstation der U-Bahn-Linie Edgware-Morden.
»So einen weiten Weg macht man aber nicht gern auf gut Glück«, sagte er resolut. »Da werden Sie Miss Maitland schon die Unkosten ersetzen müssen.«
»O ja, gewiß«, sagte Mr. Doe. »Das ist nur recht so. Hier ist eine halbe Krone. Den Rest können Sie mir heute abend zurückgeben. Also, ich danke Ihnen. Ihr Kater wird es bei uns wirklich gut haben, wenn wir ihn behalten. Stecken Sie ihn jetzt wieder in den Korb. Und
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