Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
Heiligen endlich ließ Wimsey sich mit einem Seufzer der Erleichterung in eine Ecke der Kirchenbank sinken, verschränkte die Arme über der Brust und heftete seinen Blick fest an die Decke.
»Der du deinen einzigen Sohn mit Triumph in den Himmel hast erhoben. Diese Worte aus der heutigen Kollekte – was bedeuten sie für uns? Welches Bild machen wir uns von der Herrlichkeit und Pracht des Himmels? Vorigen Donnerstag haben wir gebetet, daß auch wir mit Herz und Sinn dorthin auffahren und ewig da wohnen mögen, und wir hoffen, nach dem Tode aufgenommen zu werden – nicht nur mit Herz und Sinn, sondern mit Seele und Leib – in das gesegnete Land, wo Cherubim und Seraphim ohn' Unterlaß ihre Loblieder singen. Es ist eine wunderschöne Schilderung, die uns die Bibel gibt – das kristallene Meer und der Herr, der auf Cherubim sitzet, und die Engel mit ihren Harfen und goldenen Kronen, wie auch die alten Handwerker sie sich vorgestellt haben, als sie dieses schöne Dach hier bauten, auf das wir so stolz sind – aber glauben wir denn auch wirklich, du und ich?«
Es war hoffnungslos. Wimseys Gedanken waren schon wieder weit fort. »Er fuhr auf dem Cherub und flog daher. Er sitzet auf Cherubim.« Er mußte plötzlich an den kleinen Architekten denken, der nach Duke's Denver gekommen war, um dort das Kirchendach zu begutachten. »Sehen Sie her, Euer Gnaden, hier ist die Fäule ins Holz gekommen; da sind Löcher hinter den Cherobienen, da könnten Sie glatt die Hand hineinstekken.« Er sitzet zwischen Cherubim. Ja natürlich! Narr, der er war – steigt zwischen den Glocken herum, um nach Cherubim zu suchen, und dabei schwebten sie hier über seinem Kopf und sahen auf ihn herab mit ihren goldenen, lichtblinden Augen! Die Cherubim? Hauptschiff und Seitenschiffe waren voll davon, wie Herbstblätter in Vallombrosa. Hauptschiff und Seitenschiffe – »des seien fröhlich die Eilande« – ob damit die Seitenschiffe gemeint waren? Und dann »wie die Bäche im Süden« – das südliche Seitenschiff demnach? Vor Aufregung wäre er fast aus der Kirchenbank gesprungen. Wenn das stimmte, mußte er nur noch herausfinden, um welches Cherubimpaar es sich handelte, aber das konnte nicht schwer sein. Die Smaragde würden natürlich längst weg sein, aber wenn er nur schon das leere Versteck fände, wäre bewiesen, daß sich das Kryptogramm auf die Halskette bezog und die ganze geheimnisvolle Tragödie, die auf Fenchurch St. Paul lastete, ebenfalls mit den Smaragden zusammenhing. Wenn sie dann auch noch die Handschrift des Kryptogramms bis ins Zuchthaus von Maidstone und zu Jean Legros zurückverfolgen konnten, wußten sie, wer Jean Legros war, und mit etwas Glück konnten sie dann auch die Verbindung zwischen ihm und Cranton herstellen. Und dann konnte Cranton von Glück sagen, wenn er um eine Mordanklage herumkam.
Beim Mittagessen über Rindfleisch mit Eierteig sprach Wimsey den Pfarrer an.
»Wie lange ist es eigentlich her, Sir, daß Sie die Galerien aus den Seitenschiffen entfernt haben?«
»Mal überlegen«, sagte der Pfarrer. »Das war vor ungefähr zehn Jahren, glaube ich. Ja, richtig. Vor zehn Jahren. Das waren häßliche, klotzige Dinger. Sie verliefen genau vor den Seitenfenstern und verdeckten das ganze Maßwerk und hielten das Licht ab, und dann waren sie auch noch an den Säulen befestigt. Es war sogar so, daß man wegen dieser riesigen Kirchenbänke, die wie Badewannen aussahen, und dieser Galerien gar nichts mehr von den Säulenschäften sah.«
»Und auch sonst nichts«, fügte seine Frau hinzu. »Ich hab immer gesagt, unter diesen Galerien kann man Blindekuh spielen.«
»Wenn Sie wissen wollen, wie das aussah«, fuhr der Pfarrer fort, »müssen Sie mal in die Upwell-Kirche bei Wisbech gehen. Dort finden Sie die gleiche Galerie im nördlichen Seitenschiff (nur daß unsere noch größer und häßlicher waren), und die haben auch ein Engeldach, wenn auch nicht so schön wie das unsere, weil ihre Engel nur am Dach hängen und nicht auch an den Stichbalken. Dort können Sie die Engel im nördlichen Seitenschiff überhaupt nur sehen, wenn Sie auf die Galerie steigen.«
»Ich nehme an, es hat erheblichen Widerstand gegeben, als Sie die Galerien haben abreißen lassen?«
»Ein wenig, ja. Es sind immer ein paar Leute da, die gegen jede Veränderung sind. Aber es war doch so widersinnig, wo die Kirche sowieso schon zu groß für die kleine Gemeinde war, da brauchte man die ganzen Sitzplätze gar nicht. Für die
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