Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
überhaupt nicht so leicht sein, Will Thoday an den Galgen zu bringen – höchstens wegen Anstiftung. Deacon wurde mit vollem Magen umgebracht. Wenn Will ihn am 30. oder 31. Dezember kaltgemacht hat, warum hat er dann die zweihundert Pfund abgehoben? Wenn Deacon tot war, brauchte er das Geld nicht. Wenn aber Deacon nicht vor dem 4. Januar umgebracht wurde, wer hat ihn in der Zwischenzeit durchgefüttert? Wenn James ihn getötet hat, wozu hat er ihm vorher noch zu essen gegeben? So oder so reimt sich das Ganze nicht.«
»Wenn Deacon nun von jemandem zu essen bekommen hat«, meinte Wimsey, »und dabei Worte gefallen sind, die den Betreffenden rasend gemacht haben, so daß er ihn in der Wut erschlagen hat, ohne es überhaupt zu wollen?«
»Möglich, aber wie hat er es dann angestellt? Deacon wurde weder erstochen noch erschossen, noch erschlagen.«
»Na, ich weiß nicht«, sagte Wimsey. »Zum Teufel mit dem Kerl! Er macht nichts als Ärger, tot oder lebendig, und wer ihn um die Ecke gebracht hat, ist ein öffentlicher Wohltäter. Ich wünschte mir fast, ich hätte ihm selbst den Garaus gemacht. Hab ich vielleicht auch. Oder der Pfarrer. Oder vielleicht Hezekiah Lavender.«
»Ich glaube nicht, daß es einer von Ihnen war«, sagte Mr. Blundell bierernst. »Aber es kann natürlich irgend jemand anders gewesen sein. Dieser Potty zum Beispiel. Der treibt sich nachts immer bei der Kirche herum. Nur hätte er dazu in die Glockenstube gemußt, und ich weiß nicht, wie er dort hinaufgekommen sein soll. Aber warten wir auf James. Ich habe das Gefühl, daß James uns einiges zu erzählen hat.«
»Meinen Sie? Austern haben Bärte, aber sie wackeln nicht damit.«
»Was Austern betrifft«, sagte der Polizeidirektor, »da gibt es Mittel und Wege, sie zu öffnen – und man muß sie nicht einmal ganz schlucken. Fahren Sie nicht zurück nach Fenchurch?«
»Im Moment nicht. Ich glaube nicht, daß ich dort vorerst viel tun kann. Aber mein Bruder Denver und ich werden nach Walbeach kommen, um den Neuen Kanal zu eröffnen. Dort werden wir Sie doch sicher auch sehen?«
Das einzige Interessante, was sich im Laufe der nächsten Woche ereignete, war der plötzliche Tod Mrs. Wilbrahams. Sie starb bei Nacht und allein – allem Anschein nach an Altersschwäche – die Hand um die Smaragde gekrallt. Sie hinterließ ein vor fünfzehn Jahren aufgesetztes Testament, in dem sie ihr gesamtes, nicht unbeträchtliches Vermögen ihrem Vetter Henry Thorpe vermachte, »weil er der einzige ehrliche Mensch ist, den ich kenne.« Daß sie ihren einzigen ehrlichen Verwandten in der Zwischenzeit guten Gewissens alle Nöte und Sorgen der Entbehrung hatte erdulden lassen, entsprach wohl in etwa dem, was man von so einer undurchschaubaren und geheimnisvollen Natur erwartete. Ein Nachtrag, datiert auf den Tag nach Sir Henrys Tod, überschrieb den Nachlaß auf Hilary, und ein zweiter Nachtrag, wenige Tage vor ihrem eigenen Tod verfaßt, verfügte erstens, daß die Smaragde, die den ganzen Ärger verursacht hatten, »Lord Peter Wimsey übereignet werden, der ein vernünftiger Mensch zu sein und aus uneigennützigen Motiven gehandelt zu haben scheint«, und zweitens bestimmte er ihn zugleich als Hilarys Treuhänder. Lord Peter schnitt ob dieses Vermächtnisses eine Grimasse. Er bot das Halsband Hilary an, aber sie mochte es nicht einmal anrühren; für sie hatten die Steine eine ungute Bedeutung. Sie war überhaupt nur mit Mühe zu überreden, wenigstens das übrige Wilbraham-Vermögen anzunehmen. Sie haßte die Erblasserin aus tiefstem Herzen und hatte sich überdies in den Kopf gesetzt, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. »Jetzt wird Onkel Edward sich noch schlimmer aufführen«, sagte sie. »Er wird wollen, daß ich ei nen entsetzlich reichen Mann heirate, und wenn ich einen armen heiraten will, wird er sagen, er ist hinter dem Geld her. Und im übrigen will ich sowieso nicht heiraten.«
»Dann lassen Sie's«, sagte Wimsey. »Werden Sie eine reiche alte Jungfer.«
»Damit ich so werde wie Tante Wilbraham? Nein danke!«
»Natürlich nicht! Werden Sie eine ne tte reiche alte Jungfer.«
»Gibt's so was?«
»Nun, sehen Sie mich an. Ich meine, ich bin ein netter reicher alter Junggeselle. Halbwegs nett jedenfalls. Und reich zu sein macht Spaß. Finde ich jedenfalls. Sie brauchen nämlich nicht alles für Jachten und große Empfänge auszugeben. Sie können etwas bauen oder etwas finanzieren oder etwas in die Hand nehmen. Wenn Sie das Geld nicht
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