Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
gleich umzubringen?«
»Das«, sagte William, »wollte ich dich gerade fragen.«
»Willst du sagen, du hast ihn gar nicht kaltgemacht?«
»Natürlich nicht. Das wäre doch blöd von mir gewesen. Ich hab dem Miststück zweihundert Pfund angeboten, damit er dahin verschwand, wo er hergekommen war. Wenn ich nicht krank geworden wäre, hätte ich ihn schon abgeschoben, verlaß dich drauf, und dann hab ich gedacht, du hast das erledigt. Mein Gott! Als er aus diesem Grab aufgetaucht ist wie am Jüngsten Tag, da hab ich nur noch gewünscht, du hättest mich gleich mit umgebracht.«
»Aber ich hab nie Hand an ihn gelegt, Will. Erst als er schon tot war. Ich hab ihn da oben gefunden, den Teufel, mit so einem schrecklichen Ausdruck im Gesicht, und ich hab's dir keinen Augenblick verdenken können, was du gemacht hast. Ich schwöre dir, Will, ich hab's dir nicht übelgenommen – nur daß du so dumm gewesen bist, so was zu machen. Dann hab ich ihm seine widerliche Visage eingeschlagen, damit niemand erkennt, wer er ist. Aber anscheinend haben sie's doch rausgekriegt. So ein elendes Pech aber auch, daß sie das Grab so schnell wieder aufmachen mußten! Vielleicht wär's besser gewesen, wenn ich ihn fortgeschleppt und in den Kanal geworfen hätte, aber das ist ein ziemlich weites Stück zu laufen, und ich hab gedacht, so ist es sicher genug.«
»Aber hör doch mal, James – wenn du ihn nicht umgebracht hast, wer war's dann?«
In diesem Augenblick gingen Polizeidirektor Blundell, Chefinspektor Parker und Lord Peter Wimsey zu den beiden hinein.
Fünfter Teil
Das Springen
… und er raunte mir etwas von Leichenschändung, von einem entstellten Körper.
Edgar Allan Poe: BERENICE
Die einzige Schwierigkeit war nun, daß die beiden Zeugen, nachdem sie zuvor die Aussage verweigert hatten, jetzt gar nicht schnell genug reden konnten und beide zugleich sprachen. Chefinspektor Parker sah sich genötigt, um Ruhe zu bitten.
»Gut«, sagte er. »Sie haben also beide einander verdächtigt und einer den andern gedeckt. Soweit haben wir das begriffen. Und nachdem das nun geklärt ist, wollen wir uns mal die Geschichte anhören. Zuerst William.« Es folgte dann die übliche Belehrung.
»Also, Sir«, legte William munter los, »ich weiß ja nicht, ob ich Ihnen überhaupt viel zu erzählen habe, denn Seine Lordschaft scheint ja schon alles rausgekriegt zu haben, so gut, daß man nur staunen kann. Wie er mir gesagt hat, was ich in dieser Nacht alles getan habe – ich mag gar nicht erzählen, wie mir da zumute war, aber eines möchte ich ganz deutlich sagen, und zwar, daß meine arme Frau nicht das mindeste gewußt hat, von Anfang bis Ende. Das war ja die ganze Zeit meine größte Sorge – wie ich sie da raushalten konnte.
Ich fange ganz von vorn an, mit dem Abend des 30. Dezember. Ich komme gerade nach Hause, ziemlich spät, denn ich hatte mich noch um eine Kuh zu kümmern, die krank geworden war, im Stall von Sir Henry – na ja, und wie ich da an der Kirche vorbeikomme, da meine ich, ich seh jemand zur Tür schleichen und hineingehen. Es war natürlich eine sehr dunkle Nacht, aber wenn Sie sich erinnern, Sir, es hatte zu schneien angefangen, und vor dem Weiß hab ich dann eben die Bewegung gesehen. Also denk ich, da treibt wohl dieser Potty wieder seinen Unfug – ich will ihn mal lieber nach Hause schicken. Ich geh also auf die Kirche zu, und auf dem ganzen Weg bis zum Portal seh ich die Fußstapfen, und dort hören sie mit einemmal auf. Ich rufe ›Hallo!‹ und seh mich ein bißchen um. Das ist aber komisch, sag ich zu mir, wohin ist der Kerl denn verschwunden? Ich geh um die Kirche herum, und da seh ich, wie sich drinnen ein Licht bewegt und auf die Sakristei zugeht. Na, denk ich, das ist vielleicht der Herr Pfarrer. Und dann denke ich, vielleicht ist er's aber doch nicht. Ich geh zur Tür zurück, und da steckt kein Schlüssel drin, und dabei würde einer dringesteckt haben, wenn's der Herr Pfarrer gewesen wäre. Also drücke ich gegen die Tür, und sie geht auf. Ich hinein. Und dann höre ich, wie sich da jemand zu schaffen macht, vorn im Altarraum. Ich gehe leise weiter, denn ich hab noch die Gummistiefel an, die ich auf dem Feld angehabt hatte, und wie ich hinter die Altarschranke komme, seh ich ein Licht und höre den Kerl in der Sakristei, wie er da mit der Leiter herumhantiert, die Harry Gotobed immer benutzt, wenn er nach den Lampen schaut oder so, und die dort immer an der Wand liegt. Er steht mit dem Rücken zu mir,
Weitere Kostenlose Bücher