Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
hab ich die Schlüssel von dem Nagel bei der Tür genommen. Ich weiß, was Sie sagen wollen – wenn er sie nun wieder mal verlegt gehabt hätte, wie gewöhnlich? Nun, dann hätte ich dasselbe bei Jack Godfrey versuchen oder meine Pläne ändern müssen. Aber sie waren da, und ich hab mir über irgendwelche Wenns keine Gedanken gemacht. Ich bin wieder zur Kirche gegangen, hab Deacons Beine losgebunden und ihn vor mir her die Treppen und Leitern zur Glockenstube hinaufgehen lassen, wie man ein Schwein zum Markt führt. Es war nicht schwer – sehen Sie, ich hatte ja den Revolver.«
»Und dann haben Sie ihn in der Glockenstube an einen Balken gebunden?«
»Ja, Sir. Hätten Sie das nicht getan? Stellen Sie sich nur mal vor, Sie schleppen Verpflegung und sonstiges Zeug da im Dunkeln die Leiter hinauf, und oben läuft ein Mörder frei herum, der Ihnen gleich eins über den Schädel geben kann, sowie Sie den Kopf durch die Falltür stecken. Ich hab ihn schön festgebunden, was allerdings nicht ganz leicht war, denn das Seil war so dick. ›Hier bleibst du‹, hab ich zu ihm gesagt, ›und morgen früh bring ich dir was zu essen, und bevor du einen Tag älter bist, schaff ich dich aus dem Land.‹ Er hat geflucht wie drei Teufel, aber ich hab nicht auf ihn gehört. Ich hatte genug zu tun, die Finger von ihm zu lassen, und manchmal denke ich sogar, es ist ein Wunder, daß ich ihn nicht an Ort und Stelle umgebracht habe.«
»Aber hatten Sie denn irgendwelche Pläne, um ihn fortzuschaffen?«
»Ja, die hatte ich. Ich war den Tag davor in Walbeach gewesen, mit Jim, und wir hatten uns kurz mit einem Freund von ihm unterhalten – so ein komischer alter Skipper auf einem holländischen Frachtschiff, das da lag und irgendwelche Fracht aufnahm – ich hab gar nicht ganz mitgekriegt, was das war –, aber ich hatte das Gefühl, der Alte war nicht sehr wählerisch.«
»Da hast du recht, Will«, warf Jim grinsend ein.
»Das Gefühl hatte ich auch. Es war vielleicht kein besonders guter Plan, aber mehr hätte ich in der Zeit nicht bewerkstelli gen können. Um ehrlich zu sein, sehr klar hab ich gar nicht denken können. Ich war ganz durcheinander, und mein Kopf hat gehämmert wie eine Dreschmaschine. Das wird wohl schon die Grippe gewesen sein. Ich weiß nicht, wie ich zu Hause diesen Abend überstanden habe, wenn ich Mary und die Kinder ansah und dabei wußte, was ich eben wußte. Zum Glück wußte sie ja, daß ich mir Sorgen um eine Kuh machte, und hat alles darauf geschoben – hab ich zumindest gedacht. In der Nacht hab ich mich immerzu von einer Seite auf die andere geworfen, und das einzige, was mich getröstet hat, war der Schnee, der die Fußspuren schön zudeckte, die wir um die Kirche herum gemacht hatten.
Am nächsten Morgen war ich dann elend krank, aber ich hab nicht aufhören können, daran zu denken. Lange vor Tagesanbruch bin ich mit etwas Brot und Käse und Bier in der alten Werkzeugtasche fortgeschlichen. Jim hat mich gehört und gerufen, was denn los ist. Ich hab ihm gesagt, ich muß zu dieser Kuh – zu der bin ich dann auch gegangen, nur bin ich unterwegs noch zur Kirche.
Deacon war wohlauf, nur sehr schlecht gelaunt und halbtot vor Kälte, darum hab ich ihm meinen alten Mantel dagelassen – ich wollte ja nicht, daß er erfror. Und ich hab ihn nur an den Füßen und Ellbogen gefesselt und seine Hände frei gelassen, damit er essen, sich aber nicht losbinden konnte. Dann bin ich weiter zu der Kuh gegangen, und der ging es schon viel besser. Nach dem Frühstück bin ich in den alten Wagen gestiegen und nach Walbeach gefahren, aber die ganze Zeit hab ich mich immer elender gefühlt. Ich hab den Skipper gefunden, der gerade auslaufen wollte. Ich hab ein Wörtchen mit ihm geredet, und er war einverstanden und hat bis zehn Uhr abends warten und meinen Passagier mitnehmen wollen, ohne Fragen zu stellen. Zweihundertfünfzig Pfund wollte er haben, und ich war bereit, sie zu zahlen. Ich hatte das Geld bei mir und hab ihm fünfzig an Ort und Stelle gegeben, und den Rest hab ich ihm versprochen, wenn ich Deacon brächte. Dann bin ich ins Auto gestiegen und zurückgefahren, und was dann passiert ist, wissen Sie ja.«
»Das ist soweit vollkommen klar«, sagte Parker. »Ich brau
che Ihnen nicht zu sagen, daß Sie ein schweres Vergehen geplant haben – einem verurteilten Mörder zu helfen, der Gerechtigkeit zu entkommen. Als Polizist bin ich schockiert. Als Mensch kann ich Ihnen nur mein ganzes Mitgefühl aussprechen.
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