Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
nicht bei mir habe. Sie würden sicher gern hinaufgehen. Ein wunderschöner Ausblick, allerdings kommt man oberhalb der Läutestube nur noch über Leitern weiter. Mir wird immer schwindlig, besonders, wenn ich an den Glocken vorbeikomme. Ich finde Glocken ziemlich furchteinflößend. Ach, das Taufbecken! Das müssen Sie sich ansehen. Die Schnitzerei soll etwas ganz. Besonderes sein. Ich weiß nicht mehr so genau, was das Besondere daran ist – wie dumm von mir! Theodore muß es Ihnen mal zeigen, aber er ist so plötzlich weggerufen worden, um eine kranke Frau ins Krankenhaus zu fahren, gleich drüben auf der anderen Seite des Dreißigfußkanals, über die Thorpe-Brücke. Er hatte kaum fertig gefrühstückt, da ist er schon abgebraust.«
(Und da heißt es immer, dachte Wimsey, die Pfarrer der anglikanischen Kirche täten nichts für ihr Geld.)
»Möchten Sie gern noch bleiben und sich umsehen? Könnten Sie dann anschließend die Tür zuschließen und den Schlüssel zurückbringen? Es ist Mr. Godfreys Schlüssel – ich kann mir nicht denken, wo Theodore seinen Schlüsselbund hingetan hat. Es will einem unrecht vorkommen, die Kirche zu verschließen, aber sie steht so einsam. Vom Pfarrhaus aus können wir sie nicht im Auge behalten, weil die Büsche dazwischenstehen, und manchmal treiben sich doch Landstreicher hier herum, die nicht geheuer aussehen. Erst neulich habe ich hier einen Mann vorbeikommen sehen, der sah ganz unheimlich aus, und es ist noch nicht lange her, da hat man den Opferstock aufgebrochen. Das wäre nicht so schlimm gewesen, weil nicht viel drin war, aber dann haben sie am Altar allerhand mutwillig kaputtgemacht – aus Wut, nehme ich an, und das kann man doch nun nicht zulassen, oder?«
Wimsey antwortete, nein, das gehe wirklich nicht an, und ja, er wolle sich gern noch ein wenig in der Kirche umsehen und werde an den Schlüssel denken. Nachdem die gute Frau ihn alleingelassen hatte, tat er als erstes eine angemessene Spende in den Opferstock und begutachtete ein paar Minuten lang das Taufbecken, dessen Verzierungen in der Tat merkwürdig waren und für seinen Geschmack einen Symbolismus verrieten, der weder ganz christlich noch ganz unschuldig war. Er entdeckte eine schwere alte Truhe unterm Turm, die jedoch, als er sie öffnete, nichts weiter enthielt als ein paar abgenutzte Glokkenseile. Dann ging er weiter ins nördliche Seitenschiff und stellte fest, daß die Kapitelle, auf denen das Hauptgebälk des Engeldachs ruhte, passend mit Cherubköpfen verziert waren. Eine Weile blieb er nachdenklich vor dem Grabmal des Abtes Thomas und dessen Abbild in Mantel und Mitra stehen. Ein gestrenger alter Herr, dachte er; mit seinem energischen, harten Gesichtsausdruck wirkte dieser mittelalterliche Kleriker mehr wie ein Herrscher denn ein Hirte seines Volkes. Relieftafeln schmückten die Seiten des Grabmals. Sie gaben Szenen aus dem Leben der Abtei wieder; auf einer war das Gießen einer Glocke dargestellt, gewiß der »Batty Thomas«, und es war klar ersichtlich, daß der Abt besonders stolz auf seine Glocke gewesen sein mußte, denn sie tauchte noch einmal auf, als Fußstütze statt des üblichen Kissens. Ihre Verzierungen und Motti waren naturgetreu wiedergegeben. Auf der Schulter: NOLI + ESSE + INCREDULUS + SED + FIDELIS; auf dem Schlagring: Abbat Thomas tat mich hier hinein + und hieß mich klingen laut und rein + 1380 +; und auf der Flanke: O SANCTE THOMA, eine Inschrift, die, da sie mit der Mitra eines Abtes geschmückt war, den Betrachter im Zweifel darüber ließ, ob die Heiligkeit dem Apostel oder dem Kirchenmann zugesprochen wurde. Ganz gut, daß Abt Thomas schon lange tot war, als sein Haus von König Heinrich geplündert wurde. Thomas hätte gewiß nicht tatenlos zugesehen, und darunter hätte vielleicht die Kirche gelitten. Sein Nachfolger, ein sanftmütiger Mensch, hatte die Usurpation demütig hingenommen und seine Abtei dem Moder und Verfall, die Kirche dem puritanischen Eifer der Reformer überlassen. So zumindest bekam Wimsey es mittags beim Hirtentopf vom Pfarrer erklärt.
Nur sehr widerstrebend fanden die Venables sich bereit, ihre Gäste ziehen zu lassen; Mr. Brownlow und Mr. Wilderspin waren mit der gemeinsamen Arbeit am Auto so gut vorangekommen, daß es um zwei Uhr schon wieder fahrtüchtig war, und Wimsey hatte es eilig, vor Einbruch der Dunkelheit nach Walbeach zu kommen. So machte er sich denn nach vielem Händeschütteln und der ernstgemeinten Einladung, doch bald
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