Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
leben können und hat alles verkauft und ist weggezogen, und Mary hat er mitgenommen. Aber als dann Deacon tot war –«
»Wie ist das zugegangen?«
»Tja, er ist aus dem Gefängnis ausgebrochen und abgehauen, nachdem er erst noch einen Wärter umgebracht hat. Ein schlechter Mensch, dieser Deacon. Das war 1918. Aber viel genützt hat es ihm nicht, denn er ist dann in der Nähe von Maidstone in einen Steinbruch oder so was Ähnliches gestürzt, und seine Leiche haben sie zwei Jahre später gefunden, noch in der Gefängniskleidung. Und sowie der junge William Thoday davon gehört hat, der schon immer ein Auge auf Mary gehabt hatte, ist er ihr nach und hat sie geheiratet und hierher zurückgeholt. Sehen Sie, hier hat eigentlich nie einer geglaubt, daß Mary was auf dem Kerbholz hatte. Das war also vor zehn Jahren, und jetzt haben sie zwei brave Kinder und kommen prima zurecht miteinander. Dieser Cranton hat sich gleich wieder auf was Neues eingelassen, kaum daß er draußen war, aber jetzt ist er schon wieder draußen, höre ich, und Jack Priest – das ist der Gendarm von Fenchurch St. Peter –, der meint, ihn würd's nicht wundern, wenn wir bald wieder was von dem Halsband hörten, aber ich weiß nicht. Vielleicht weiß Cranton, wo es ist, vielleicht auch nicht.«
»Verstehe. Dann hat Sir Charles also Mrs. Wilbraham das Halsband ersetzt?«
»Nicht Sir Charles, Mylord. Das war Sir Henry. Der arme junge Herr ist gleich von der Hochzeitsreise zurückgekommen und hat Sir Charles schwerkrank vorgefunden. Er hatte einen Schlaganfall bekommen vor lauter Schrecken, wie sie den Deacon geholt haben, weil er sich irgendwie verantwortlich gefühlt hat für ihn, und über Siebzig war er ja auch schon. Nach dem Urteil hat dann Mr. Henry, so hieß er ja damals noch, zu seinem Vater gesagt, er will dafür sorgen, daß die Sache in Ordnung kommt, und anscheinend hat Sir Charles das verstanden; und dann ist der Krieg gekommen, und den hat Sir Charles nicht mehr überlebt. Er hat noch einen Schlaganfall gekriegt und ist gestorben, aber Mr. Henry hat es nicht vergessen, und wie die Polizei dann gesagt hat, daß sie kaum noch Hoffnung haben, das Halsband zu finden, da hat er es bezahlt, aber das ist die Familie hart angekommen. Sir Henry ist im Krieg schwer verwundet worden und als Invalide nach Hause gekommen, aber er ist nie mehr der alte geworden, und jetzt soll es ihm auch sehr schlecht gehen, heißt es. Daß Lady Thorpe so plötzlich gestorben ist, tut ihm sicher auch nicht gerade gut. Sie war so eine liebe Dame, alle haben sie gern gehabt.«
»Sind sonst noch Angehörige da?«
»Ja, Mylord. Eine Tochter, Miss Hilary. Wird diesen Monat fünfzehn. Ist gerade für die Ferien nach Hause gekommen. Das sind vielleicht traurige Ferien für sie, das kann man wohl sagen.«
»Allerdings«, fand Lord Peter. »Tja, das war eine interessante Geschichte, die Sie mir da erzählt haben, Hinkins. Ich werde die Ohren spitzen, ob ich was Neues von den WilbrahamSmaragden höre. Ah, da kommt mein Freund Mr. Wilderspin. Er will mir vermutlich sagen, daß mein Auto wieder auf seinen Rädern steht.«
Die Vermutung erwies sich als richtig. Der große Daimler
stand vor dem Gartentor des Pfarrhauses, hilflos hinten an ein Pferdefuhrwerk angehängt. Die beiden stämmigen Gäule davor schienen, ihrer hochnäsigen Gelassenheit nach zu urteilen, keine allzu hohe Meinung von ihm zu haben. Die Herren Wilderspin senior und junior dagegen betrachteten die Angelegenheit hoffnungsvoll. Ein wenig Arbeit an der Vorder achse, dort, wo sie mit einem versteckten Meilenstein Bekanntschaft gemacht hatte, werde Wunder wirken, meinten sie. Wenn nicht, könne man immer noch nach Mr. Brownlow in Fenchurch St. Peter schicken, der dort eine Werkstatt habe, und der werde dann kommen und ihn mit seinem Lastwagen abschleppen. Mr. Brownlow sei ein großer Experte. Gewiß, er sei vielleicht zu Hause, vielleicht aber auch nicht. In Fenchurch St. Stephen sei eine Hochzeit, und Mr. Brownlow werde dort vielleicht gebraucht, um die Hochzeitsgesellschaft zur Kirche zu fahren. Dies sei ein gutes Stück außerhalb, am Diggs-Weg, aber notfalls könne man ja die Postmeisterin bitten, dort anzurufen und sich zu erkundigen. Sie sei dafür genau die richtige Adresse, denn außer in der Poststelle gebe es im ganzen Dorf kein Telefon, nur noch im Roten Haus, und dort zu stören, sei ja wohl zur Zeit etwas unpassend.
Wimsey betrachtete skeptisch die Vorderachse und fand, es sei vielleicht
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