Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
assistiert und bei der Durchsuchung der Kleider des Toten geholfen habe. Dann machte er Platz für den Polizeidirektor, der seine Aussage bestätigte und die bei dem Toten gefundenen Habseligkeiten aufzählte. Es waren: Ein Anzug aus marineblauem Köper von minderer Qualität, sehr in Mitleidenschaft gezogen durch das lange Liegen in der Erde, aber offenbar erst vor kurzer Zeit in einem bekannten billigen Konfektionshaus gekauft; Unterhemd und Unterhose, beide ziemlich abgetragen, mit dem Firmenzeichen (sehr verwunderlich!) eines französischen Herstellers; ein Khakihemd wie bei der britischen Armee; ein paar Arbeitsschuhe, fast neu; eine billige getupfte Krawatte. In den Taschen hatte man gefunden: ein weißes Baumwolltaschentuch; ein Päckchen billige Zigaretten; Kleingeld im Wert von fünfundzwanzig Shilling und acht Pence; einen Taschenkamm; ein Zehncentimestück; und ein Stückchen steifen Draht, an einem Ende zu einem Haken gebogen. Ein Mantel war nicht bei dem Toten gewesen.
Die französische Münze und Unterwäsche und das Stück Draht waren die einzigen Gegenstände, von denen man sich vielleicht eine Lösung des Rätsels erhoffen konnte. Ezra Wil derspin wurde erneut aufgerufen, konnte sich aber nicht erinnern, daß Driver je etwas von Frankreich erwähnt hätte, nur daß er im Krieg gewesen sei; und der Polizeidirektor schüttelte auf die Frage, ob der gebogene Draht so etwas wie ein Dietrich sein könne, nur den Kopf und sagte, für ihn sehe er nicht danach aus.
Der nächste Zeuge war Dr. Baines, und seine Aussage sorgte für die einzige wirkliche Sensation des Tages. Er sagte:
»Ich habe den Körper des Toten untersucht und eine Autopsie gemacht. Nach meinem Dafürhalten handelt es sich um einen Mann von fünfundvierzig bis fünfzig Jahren. Er war allem Anschein nach wohlgenährt und gesund. Unter Berücksichtigung der Bodenart, die zu einer Retardierung des Fäulnisprozesses neigt, sowie der Lage des Leichnams, nämlich einen guten halben Meter unter Friedhofshöhe und damit etwa einen Meter unter der Erde des Grabhügels, würde ich aus dem Stadium der Verwesung schließen, daß der Leichnam zwischen drei und vier Monaten in diesem Grab gelegen hat. Bei einem unter der Erde befindlichen Körper geht die Verwesung langsamer vonstatten als wenn er der Luft ausgesetzt ist, beziehungsweise bei einem bekleideten Körper langsamer als bei einem nackten. Im vorliegenden Falle waren zum Beispiel alle inneren Organe und weichen Gewebeteile noch unterscheidbar und recht gut erhalten. Ich habe eine sorgfältige Untersuchung vorgenommen und konnte an keinem Körperteil außer Kopf, Armen, Hand- und Fußgelenken irgendwelche Zeichen äußerer Gewaltanwendung erkennen. Das Gesicht wurde offenbar mit einem stumpfen Gegenstand mit großer Wucht eingeschlagen, so daß die gesamte Vorderpartie des Schädelkomplexes zersplittert ist. Die genaue Zahl der geführten Schläge konnte ich nicht ermitteln, aber sie müssen zahlreich und wuchtig gewesen sein. Bei der Öffnung der Bauchhöhle –«
»Augenblick, Doktor. Wenn ich recht verstehe, können wir davon ausgehen, daß der Mann infolge eines oder mehrerer dieser Schläge gestorben ist?«
»Nein. Ich glaube nicht, daß die Schläge die Todesursache waren.«
An dieser Stelle erhob sich aufgeregtes Getuschel in dem kleinen Gemeindesaal, und man sah Lord Peter mit befriedigtem Lächeln die Fingerspitzen aneinanderreihen.
»Was bringt Sie zu dieser Annahme, Dr. Baines?«
»Soweit ich es überhaupt beurteilen kann, sind alle diese Schläge erst nach dem Tod geführt worden. Auch die Hände wurden nach dem Tod abgeschnitten, und zwar offenbar mit einem kurzen, schweren Messer – einem großen Taschenmesser vielleicht.«
Noch mehr Aufregung, und Lord Peter sagte hörbar:
»Ausgezeichnet!«
Dr. Baines führte eine Reihe technischer Gründe für sein Urteil an, die hauptsächlich etwas mit dem Fehlen äußerlicher Blutungen und dem allgemeinen Erscheinungsbild der Haut zu tun hatten; er fügte jedoch mit geziemender Bescheidenheit hinzu, daß er auf diesem Gebiet kein Fachmann sei und nur seine persönliche Meinung zum besten geben könne.
»Aber warum sollte jemand einem Toten solch schwere Verletzungen beibringen?«
»Ich weiß es nicht. Bei der Öffnung der Bauchhöhle fand ich
Magen, Darm, Leber und Milz bereits stark verwest vor, Nieren, Bauchspeicheldrüse und Speiseröhre jedoch noch recht gut erhalten.« (Hier erging sich der Doktor in einigen medizinischen
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