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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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wehte der Begräbnisgeruch der Jonquillen herein.
    Wimsey pfiff leise vor sich hin, während er die säuberlich und mit sparsamer Sorgfalt geflickten Kleidungsstücke untersuchte. Daß Cranton, den man zuletzt im September in London gesehen hatte, eine so zerschlissene und doch sorgsam geflickte Garnitur französischer Unterwäsche besitzen sollte, gab ihm ein Rätsel auf. Sein Hemd und die äußeren Kleidungsstücke – jetzt ebenfalls gesäubert und zusammengefaltet – lagen in greifbarer Nähe auf einem Stuhl. Auch sie waren abgetragen, aber englisch. Wie kam Cranton dazu, französische Unterwäsche aus zweiter Hand zu tragen?
    Wimsey wußte, daß es hoffnungslos war, den Weg dieser Sachen über den Hersteller zu verfolgen. Garnituren dieser Marke und Qualität wurden in Paris und sämtlichen Provinzen zu Hunderttausenden verkauft. Sie lagen meist als Sonderangebote auf einem Wühltisch vor den Weißwarengeschäften und wurden von sparsamen Hausfrauen im Vorübergehen mitgenommen. Ein Wäschezeichen war nicht darin; sicherlich hatte das Waschen die Hausfrau persönlich oder die bonne à tout faire – das Mädchen für alles – besorgt. Löcher da und dort waren sauber gestopft worden; unter den Armen waren Flicken von einem anderen Stoff eingenäht und die langen Ärmel an den Enden, wo sie ausgefranst gewesen waren, neu umsäumt worden; an der Hose waren Knöpfe erneuert. Warum auch nicht? Der Mensch muß sparen, wo er kann. Aber es waren eben keine Kleidungsstücke, die einer sich so, wie sie waren, kaufen würde, nicht einmal beim Trödler. Und es hätte schon eines sehr aktiven Mannes bedurft, sie in ganzen vier Monaten in einen derart altersschwachen Zustand zu versetzen.
    Lord Peter fuhr sich mit den Fingern durch das Haar, bis die glänzenden blonden Locken aufrecht standen. »Ach du meine Güte!« dachte Mrs. Venables, die durchs Fenster zu ihm hereinsah. Sie empfand für ihren Gast eine warme, mütterliche Zuneigung. »Möchten Sie ein Glas Milch oder einen WhiskySoda, oder eine Tasse Bouillon?« erkundigte sie sich gastfreundlich. Wimsey lachte, lehnte aber dankend ab.
    »Hoffentlich holen Sie sich nichts von diesen schrecklichen alten Sachen«, sagte Mrs. Venables. »Gesund können die ja nicht gerade sein.«
    »Na, mehr als Gehirnentzündung kann ich mir davon nicht holen«, meinte Wimsey. »Ich meine –« als er Mrs. Venables besorgten Blick sah –, »ich weiß mit dieser Unterwäsche nichts Rechtes anzufangen. Vielleicht haben Sie eine Idee.« Mrs. Venables kam herein, und er erklärte ihr, worin das Problem bestand.
    »Das weiß ich nun aber wirklich nicht«, sagte Mrs. Venables, nachdem sie flink die vor ihr ausgebreiteten Stücke begutachtet hatte. »Leider bin ich kein Sherlock Holmes. Ich würde aber meinen, der Mann muß eine gute, fleißige Frau gehabt haben; mehr kann ich nicht sagen.«
    »Ja, aber das erklärt noch nicht, warum er sich diese Sachen in Frankreich besorgt haben soll. Alles andere ist obendrein englisch. Bis auf das Zehncentimestück natürlich, aber die findet man in diesem Lande recht häufig.«
    Mrs. Venables, die im Garten gearbeitet hatte und ziemlich erhitzt war, setzte sich, um sich diese Frage durch den Kopf gehen zu lassen.
    »Das einzige, was ich mir vorstellen kann«, sagte sie, »ist, daß er sich die englischen Sachen zur Tarnung zugelegt hat – Sie haben doch gesagt, daß er verkleidet hierhergekommen ist, nicht wahr? Da aber sein Unterzeug niemand zu sehen bekommen würde, hat er sich nicht die Mühe gemacht, es ebenfalls zu wechseln.«
    »Das würde aber heißen, daß er aus Frankreich kam.«
    »Vielleicht. Vielleicht ist er Franzose. Die tragen doch oft Bärte, nicht?«
    »Ja; aber der Mann, den ich getroffen habe, war kein Franzose.«
    »Sie wissen ja nicht, ob es der Mann ist, den Sie getroffen haben. Es kann ein völlig anderer sein.«
    »Schon, er kann «, meinte Wimsey skeptisch.
    »Er hatte nicht noch andere Sachen zum Anziehen bei sich?«
    »Nein, gar nichts. Er war nur ein Arbeitsloser auf Wander
    schaft. Das hat er zumindest gesagt. Alles, was er bei sich hatte, war ein alter englischer Regenmantel, den er wieder mitgenommen hat, und eine Zahnbürste. Die hat er dagelassen. Ob uns das etwas sagen kann? Können wir daraus schließen, daß er ermordet worden sein muß, weil er seine Zahnbürste sicher mitgenommen hätte, wenn er einfach gegangen wäre? Wenn er aber die Leiche ist, wo ist dann der Mantel geblieben? Bei der Leiche war nämlich kein

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