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Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Wimsey 11 - Der Glocken Schlag

Titel: Wimsey 11 - Der Glocken Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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notwendigen Arbeitskräften. Die Herrin des Hauses empfing sie. Sie war eine untersetzte, muskulöse Frau von etwa vierzig Jahren und hatte ihr neunmonatiges Baby auf dem Arm. Beim Anblick des Kommissars und des ihn begleitenden Polizisten trat unverkennbar ein Ausdruck des Schrekkens in ihre Augen, der sofort wieder dieser maultierhaften Sturheit Platz machte, die niemand besser auf Kommando zur Schau stellen kann als ein französischer Bauer.
    » Monsieur le commissaire Rozier?«
    »Höchstpersönlich, Madame. Dieser Herr hier ist Mylord Vainsé, der aus England gekommen ist, um gewisse Erkundigungen einzuziehen. Darf man eintreten?«
    Man durfte, obschon bei dem Wort »England« der Schrecken wieder in ihrem Gesicht erschien, was den beiden Männern nicht entging.
    »Ihr Gatte, Madame Legros«, kam der Kommissar ohne Umschweife zur Sache, »ist nicht daheim. Wie lange ist er schon fort?«
    »Seit Dezember, Monsieur le commissaire .«
    »Wo ist er?«
    »In Belgien.«
    »Wo in Belgien?«
    »In Dixmude, glaube ich, Monsieur.«
    »Sie glauben? Sie wissen es nicht? Haben Sie keine Post von ihm bekommen?«
    »Nein, Monsieur.«
    »Das ist aber komisch. Was hat ihn nach Dixmude geführt?«
    »Monsieur, er hatte auf einmal die Idee, daß in Dixmude vielleicht seine Familie lebte. Sie wissen ja sicher, daß er sein Gedächtnis verloren hatte. Eh, bien ! Eines Tages im Dezember hat er zu mir gesagt: ›Suzanne, leg mal eine Platte aufs Grammophon.‹ Ich habe die Platte von einer grande diseuse aufgelegt, wo Le Carillon, das Gedicht von Verhaeren, zu Musik gemacht ist. C'est un morceau très impressionant. Und an der Stelle, die so rührend ist, wo die Glockenspiele aufgezählt werden, eins nach dem andern, da hat mein Mann plötzlich gerufen: ›Dixmude! Gibt es in Belgien eine Stadt, die Dixmude heißt?‹ ›Aber natürlich‹, hab ich geantwortet. Und er: ›Der Name sagt mir etwas, Suzanne! Ich bin überzeugt, daß in Dixmude meine liebe Mutter wohnt. Ich habe keine Ruhe, bis ich nach Belgien gefahren bin und mich nach meiner lieben Mutter erkundigt habe.‹ Monsieur le commissaire, er hat sich überhaupt nichts sagen lassen. Er ist fortgegangen und hat unsere paar Ersparnisse mitgenommen, und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
    » Histoire très touchante«, sagte der Kommissar trocken.
    »Sie dürfen meines Mitgefühls sicher sein, Madame. Aber ich verstehe nicht, wieso Ihr Gatte Belgier sein soll. Bei der dritten Marneschlacht waren keine belgischen Truppen beteiligt.«
    »Trotzdem, Monsieur. Sein Vater könnte ja eine Belgierin geheiratet haben. Vielleicht hat er belgische Verwandte.«
    » C'est vrai. Er hat Ihnen keine Adresse hinterlassen?«
    »Nein, Monsieur. Er hat gesagt, er will bei seiner Ankunft gleich schreiben.«
    »Aha! Und wie ist er gefahren? Mit dem Zug?«
    »Ja, Monsieur.«
    »Und Sie haben sich nirgendwo erkundigt? Zum Beispiel beim Bürgermeister von Dixmude?«
    »Monsieur, Sie müssen verstehen, daß ich ganz durcheinander war. Ich hätte nicht gewußt, wo ich mit solchen Erkundigungen anfangen sollte.«
    »Auch nicht bei uns, der Polizei, die für so etwas da ist? Sie haben sich nicht an uns gewandt?«
    » Monsieur le commissaire , ich wußte nicht – ich konnte mir nicht vorstellen – ich hab mir jeden Tag gesagt: ›Morgen wird er schreiben‹, und so hab ich gewartet, et enfin –«
    » Et enfin – es ist Ihnen also nicht eingefallen, sich zu erkundigen. C'est bien remarquable. Wie sind Sie dann auf die Idee gekommen, daß Ihr Mann in England sei?«
    »In England, Monsieur?«
    »In England, Madame. Sie haben ihm unter dem Namen Paul Taylor geschrieben, oder etwa nicht? In einen Ort namens Valbiche in der Grafschaft Laincolne?« Der Kommissar übertraf sich förmlich selbst in der Aussprache der barbarischen Namen. »Nach Valbiche in Laincolne haben Sie ihm unter dem Namen Paul Taylorrr geschrieben – voyons, Madame, voyons, und jetzt erzählen Sie mir, Sie hätten angenommen, daß er die ganze Zeit in Belgien gewesen sei? Sie werden doch Ihre eigene Handschrift nicht verleugnen, hoffe ich? Oder die Namen Ihrer Kinder? Oder den Tod der roten Kuh? Sie glauben doch nicht, daß Sie die Kuh wieder zum Leben erwecken können?«
    »Monsieur –«
    »Kommen Sie, Madame. Die ganzen Jahre haben Sie die Polizei angelogen, nicht wahr? Sie wußten genau, daß Ihr Mann kein Belgier war, sondern Engländer. Daß sein richtiger Name Paul Taylor ist. Daß er sein Gedächtnis gar nicht verloren

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