Wimsey 11 - Der Glocken Schlag
über sich erzählt.«
»Sie kennen seinen Namen nicht? Hieß er nicht Taylor?«
»Nein, Monsieur. Den Namen hat er nur angenommen, als er nach England fuhr.«
»Aha. Und wozu ist er nach England gefahren?«
»Monsieur, wir sind sehr arm, und Jean hat gesagt, daß er in England etwas besitzt, was er für viel Geld verkaufen kann, wenn er nur herankommt, ohne erkannt zu werden. Denn sehen Sie, wenn er sich zu erkennen gegeben hätte, wäre er als Deserteur erschossen worden.«
»Aber nach dem Krieg hat es doch eine Generalamnestie für Deserteure gegeben.«
»In England nicht, Monsieur.«
»Hat er Ihnen das gesagt?« fragte Wimsey.
»Ja, Mylord. Und darum war es wichtig, daß ihn keiner erkannte, wenn er sein Eigentum abholen ging. Und es gab noch irgendwelche Schwierigkeiten, die er mir nicht genau erklärt hat, irgend etwas mit dem Verkauf der Sachen – ich weiß nicht, worum es ging –, und dazu brauche er die Hilfe eines Freundes. Also hat er an diesen Freund geschrieben und bald darauf Antwort bekommen.«
»Haben Sie diesen Brief?«
»Nein, Monsieur. Er hat ihn verbrannt, ohne ihn mir zu zeigen. Dieser Freund wollte etwas von ihm haben – ich habe das nicht ganz verstanden, aber es war so eine Art Garantie, glaube ich. Jean hat sich eine paar Stunden lang in sein Zimmer eingeschlossen, um den Brief zu beantworten, aber die Antwort hat er mir auch nicht gezeigt. Dann hat der Freund zurückgeschrieben, daß er ihm helfen kann, aber Jeans Name dürfe nicht in Erscheinung treten – weder sein richtiger noch der Name Legros, verstehen Sie? Daraufhin hat er sich den Namen Paul Taylor ausgedacht, und laut gelacht hat er, als er auf die Idee gekommen ist, sich so zu nennen. Der Freund hat ihm dann Papiere auf diesen Namen geschickt: Paul Taylor, britischer Staatsangehöriger. Die habe ich gesehen. Es war ein Paß mit einem Photo; es hat meinem Mann nicht sehr ähnlich gesehen, aber er hat gesagt, darauf würde keiner so genau achten. Der Bart war so wie seiner.«
»Hatte Ihr Gatte einen Bart, als Sie ihn kennenlernten?«
»Nein, da war er glattrasiert wie alle Engländer. Aber den Bart hat er sich natürlich wachsen lassen, während er krank war. Der hat ihn sehr verändert, denn er hatte ein kleines Kinn, und mit dem Bart sah es größer aus. Gepäck hat Jean keines mitgenommen; er hat gesagt, er würde sich Kleider in England kaufen, denn dann sähe er wieder aus wie ein Engländer.«
»Und Sie wissen nicht, welcher Art dieser Besitz in England sein soll?«
»Gar nichts weiß ich darüber, Monsieur.«
»Waren es Ländereien? Aktien? Wertsachen?«
»Ich weiß nichts, Monsieur. Ich habe Jean oft gefragt, aber er hat es mir nicht sagen wollen.«
»Und Sie wollen uns glauben machen, daß Sie den richtigen Namen Ihres Mannes nicht kennen?«
Wieder das Zögern. Dann: »Nein, Monsieur, ich kenne ihn nicht. Es stimmt, ich habe ihn in seinen Papieren gesehen, aber die habe ich ja verbrannt, und jetzt kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich glaube, er fing mit C an, und wenn ich ihn noch einmal sähe, würde ich ihn vielleicht wiedererkennen.«
»War es Cranton?« fragte Wimsey.
»Nein, ich glaube nicht, aber ich kann nicht sagen, was es war. Sowie er überhaupt wieder sprechen konnte, hat er mich gebeten, ihm seine Papiere zu geben, und da habe ich ihn nach seinem Namen gefragt, weil ich ihn nicht aussprechen konnte – er war ja englisch und sehr schwierig –, und er hat gesagt, er wolle mir seinen Namen nicht sagen, aber ich könne ihn nennen, wie ich wolle. Da habe ich ihn Jean genannt, weil das der Name meines Verlobten war, der gefallen ist.«
»Aha«, sagte Wimsey. Er suchte in seiner Brieftasche und legte ihr das amtliche Photo von Cranton vor. »Ist das Ihr Mann, wie Sie ihn zuerst kennengelernt haben?«
»Nein, Mylord, das ist nicht mein Mann. Er sieht ihm kein bißchen ähnlich.« Ihre Miene verfinsterte sich. »Sie haben mich getäuscht! Er ist gar nicht tot, und jetzt habe ich ihn verraten!«
»Er ist tot«, sagte Wimsey. »Und dieser Mann hier lebt.«
»Und nun«, sagte Wimsey, »sind wir einer Lösung nicht näher als vorher.«
» Attendez, Mylord. Sie hat noch nicht alles gesagt, was sie weiß. Sie traut uns nicht und verheimlicht uns den Namen. Warten Sie nur ab, wir werden ein Mittel finden, sie zum Sprechen zu bringen. Sie glaubt, daß ihr Mann vielleicht doch noch lebt. Aber wir werden sie überzeugen. Wir werden diesen Mann aufspüren lassen. Die Spur ist zwar ein paar
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