Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten
bedeutet das?», fragte ihre Begleiterin.
«Nutze den Tag. Ich denke, das schließt die Nacht mit ein», sagte Harriet. «Hören Sie, wenn Sie Hilfe brauchen …»
«Es hat schon geholfen, mit Ihnen zu sprechen. Ich komme klar.» Die junge Frau ging davon, und Harriet schaute ihr nach.
«Wenn eine Frau sich dem Unglück der eigenen Tochter so entgegenkommend gezeigt hat», überlegte Peter laut, «meint sie wahrscheinlich, sie hätte sie eigenhändig hineingestürzt. Ich kann mir vorstellen, dass die Frau Schuldgefühle hat. Wenn Kapitän Quarley erst einmal wieder da ist … ach, ich dachte eigentlich, wer einen Ehemann bei der Handelsmarine hat, ist es gewohnt, selbst Entscheidungen zu treffen. Aber warum nur war der Anblick meiner Karte so schlimm für sie? Oder war es mein Gesicht? Ich habe mich ja schon damit abgefunden, dass ich auf den ersten Blick keinen großen Eindruck schinde, aber Angst und Schrecken verbreite ich doch für gewöhnlich auch nicht, oder, Harriet?»
«Der Schreck kam definitiv von der Karte, nicht von dir. Ehrenwort.»
«Sie sagt, sie kennt mich. Also weiß sie von meinem Beruf. Sie hat also etwas zu verbergen. Und das kann wohl kaum die Tatsache sein, dass sie ihre unverheiratete Tochter mit dem jungen Brinklow ins Bett gesteckt hat. Auf dieser Bühne interessieren den Detektiv ja bekanntlich nur Akteure, die bereits in den heiligen Stand der Ehe getreten sind.»
«Tja, aber nun ist der arme Alan Brinklow tot, und es stellt sich heraus, dass ihr Tun böse Folgen zeitigt, Peter. Es hat sich nichts daran geändert, dass sich eine junge Frau mit einem unehelichen Kind alles Mögliche gefallen lassen muss, während der betreffende junge Mann ein Augenzwinkern und ein wissendes Lächeln erntet. Das könnte doch ihr Grund zur Reue sein?» «Sicher. Aber die ganze Unterhaltung war doch aus den Fugen. Etwas davon hat einfach nicht zu dem gepasst, was wir wissen. Meine kleinen grauen Zellen, verstehst du …»
«Ja, ich weiß. Und noch etwas Seltsames, Peter. Ich war doch wirklich davon überzeugt, dass ich Mike Newcastle auf einem der Fotos wiedererkannt hatte. Wir haben schließlich in Paggleham miteinander gesprochen, als er Alan Brinklow suchte.»
«Aber das ist ja nicht weiter seltsam. Das ganze Land ist entwurzelt, alle verschlägt es mal hierhin, mal dahin, da schneit man halt mal bei einem Freund rein … Ach so, jetzt verstehe ich – jemanden, der als vermisst gemeldet ist, würde man nicht besuchen.» «Auch. Aber vor allem merkwürdig ist, dass Joan bestritten hat, einen Mike Newcastle zu kennen, als ich ihn ihr gegenüber erwähnte.»
«Ein falscher Name. Es hat sich jemand unter falschem Namen nach Brinklow erkundigt. Harriet, wenn wir in Betracht ziehen, was wir jetzt über die Quarleys erfahren haben – welche Wirkung auf sie hätte wohl die folgende Situation: Sie vergießen noch bittere Tränen über ihren geliebten Alan, und da erreicht sie auf irgendwelchen Wegen das Gerücht, dass der Gute sich gesund und munter in Paggleham verkrochen hat, anstatt zurückzukommen und brav seine Joan zu heiraten.»
«Das wäre furchtbar», sagte Harriet. «Es wäre verheerend, und zwar für alle. Mutter, Tochter und Bruder – allen wäre klar, dass er das Mädchen sitzen gelassen hat. Erst verführt er sie unter dem Vorwand, dass zum Heiraten keine Zeit ist und er möglicherweise bald sterben muss, und dann überlebt er und serviert sie ab.» «War es das, was Joan Quarley gemeint hat, als sie ausrief: ‹Ich hab's doch gesagt, dass er tot ist›?» «Für sie musste er einfach tot sein, denn sonst wäre er zu ihr zurückgekehrt. Ja, ich verstehe. Peter, du hast ja Recht – so passt es alles zusammen! Deshalb wollte sie es auch schwarz auf weiß haben …» «Lass uns das Ganze noch einmal rekapitulieren», schlug Peter vor. «Das ganze höchst seltsame Gespräch mit Mutter und Tochter. Bei der Tochter passt jetzt alles zusammen. Jemand hat ihr erzählt, Alan sei am Leben, folgerichtig abtrünnig geworden – nicht nur ihr übrigens, sondern auch seiner Einheit –, und sie will es nicht glauben. Sie ist hundertprozentig da von überzeugt, dass nur der Tod ihn davon abhalten kann, zu ihr zurückzukehren. Und nun kommen wir mit unseren Neuigkeiten, und sie sieht gewissermaßen ihre Ehre wiederhergestellt.» «Durchaus nachvollziehbar.»
«Vollziehen wir mal nach, was die Mutter umtreibt. Du meinst also, sie bereut lediglich, dem jungen Romeo gegenüber Barmherzigkeit an den Tag
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