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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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weiter. Da stehe ich hier mit einer Fremden, die ihn nicht einmal gekannt hat …» «Sie sagten, es war gleich der Tag danach –?» «Nach unserer Verlobung. Ich kannte ihn schon eine Zeit lang aus der Clique. Die Piloten kamen immer ins Creme Arms, um Bier zu trinken, herumzualbern und mit den Mädchen zu flirten. Meine Freundin Brenda hat gemeint, mit den Piloten tanzen, wenn am Samstagabend im Gemeindesaal Schwof ist, war auch Kriegshilfsdienst. Alan gehörte zu den Stilleren, darum habe ich ihn am Anfang gar nicht beachtet. Dann ist er bei uns eingezogen und ein paar Mal abends mit mir spazieren gegangen. Und dann – es ging so schnell, Harriet, eh ich es noch begriffen habe oder darüber nachdenken konnte …»
    «Man verliebt sich immer Hals über Kopf», sagte Harriet lächelnd. «Nicht Kopf über Bauch oder Hirn über Herz, es erwischt einen immer kalt.» «Am letzten Abend kamen wir von draußen rein, und da hat er einfach zu Mutter gesagt: ‹Wenn ich von meinem nächsten Einsatz heil zurückkomme, Mrs. Quarley, werde ich Ihre Tochter heiraten.› Und Mutter sah mich an und sagte: ‹Ja.› Und er: ‹Joan, ich habe dich nicht rundheraus gefragt, weil ich etwas sehr, sehr Gefährliches vor mir habe, und es kann sein, dass ich wirklich nicht zurückkehre, aber wenn es gut geht, komme ich wieder und mache dir einen Antrag, wie es sich gehört.› Und ich habe gesagt: ‹Wie auch immer es sich gehört – die Antwort ist ja.› Und Mutter hat gefragt, wann er auf diesen gefährlichen Einsatz muss, und er hat gesagt, gleich im Morgengrauen. Er hat ein bisschen gezittert dabei. ‹Komm mit nach oben, Joan›, hat Mutter gesagt und ist mit mir hoch ins Schlafzimmer. Wir haben das beste Bettzeug aufs Doppelbett getan, und sie hat gesagt, sie schläft die Nacht drüben in meinem Zimmer.» «Und das als Mutter!»
    «So etwas in der Art habe ich auch gesagt. Ich war ganz benommen. Sie hat gesagt, man kann es mir am Gesicht ablesen, was in mir vorgeht. Und: ‹Nutz deine Chance, Mädchen.› Und das habe ich getan.» «Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass meine Mutter …» Harriet vollendete den Satz nicht.
    «Inzwischen bereut sie es wohl», sagte Joan Quarley. «Ich darf sie nicht darauf ansprechen. Man meint fast, sie wirft Alan vor, dass er sich hat umbringen lassen. Natürlich sitze ich in der Tinte. Die Schande. Die Leute im Dorf zerreißen sich das Maul. Mir ist das egal, aber ihr wohl nicht.»
    Harriet sagte: «Schande lässt sich bezwingen, Joan, diese Erfahrung habe ich selbst gemacht. Sogar vor der Öffentlichkeit wird man mit ihr fertig, man darf sich ihr nur nicht beugen. Nicht klein beigeben. Wenn man ihr standhält und ihren Blick niederzwingt, ist es am Ende sie, die schamhaft die Augen abwendet.»
    «Die warten ja nur darauf, es am Kind auszulassen», sagte Joan bitter. «An Alans Kind.»
    «Stecken Sie sich einen Ring an den Finger und fangen Sie woanders ein neues Leben an. Es werden viele junge Frauen in derselben Lage sein – allein erziehende Witwen mit und ohne Trauschein.» «Wenn Mutter sich wieder beruhigt hat, vielleicht. Im Moment kann ich nur daran denken, dass sie von Schuldgefühlen geplagt wird, weil sie uns geholfen hat. Meint sie etwa, ich bereue es?»
    «Was man getan hat, bereut man nur selten so sehr wie das, was man hätte tun sollen und nicht getan hat.»
    «Ich bereue jedenfalls nichts!», sagte Joan. «Schauen Sie, ich habe Ihnen etwas mitgebracht, ein paar Verse, die Alan geschrieben hat.» Sie zog ein sauber gefaltetes Blatt Papier aus der Tasche, auf das ein paar Zeilen geworfen waren. Harriet las:

    I'm but the son my mother bore,
A simple man and nothing more
But, God of strength and gentleness,
Be pleased to make me nothing less.

    «Und der Mann, der das geschrieben hat, soll sich von einem Tag auf den anderen benehmen wie ein Schuft, ein Feigling und ein hundsgemeiner Schürzenjäger?»
    «Wer sagt, dass Sie das denken sollen?», fragte Harriet. «Reden wir nicht davon.»
    Sie standen wieder auf dem Friedhof. Es schien alles gesagt zu sein. Das plötzliche Aufflackern von Vertrautheit zwischen zwei Fremden lässt sich – gefühlsgeladen und gefährlich wie es ist – nicht über einen kurzen Moment hinwegretten, ging Harriet durch den Sinn. Ihr Blick fiel auf einen schiefen Grabstein, in den neben den Lebensdaten die Worte gemeißelt waren: Aet. Sua, 16 ann. Und Carpe Diem. «Ein zeitlos guter Rat», bemerkte sie.
    «Ich kann kein Latein. Was

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