Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten
Lady Peter, Sie wären wirklich überrascht, wie viele der Frauen, die wir im Rahmen unserer Er hebungen befragen, die kleine Atempause doch genie ßen, solange ihre Männer nicht da sind. Immer wieder erzählen uns Frauen staunend, dass sie zu Dingen in der Lage sind, von denen sie geglaubt hatten, nicht mit ihnen fertig zu werden. Ich sprach mit einer jun gen Dame – ein Mädchen im Grunde und ein kränk lich aussehendes Ding dazu, die eine Stelle in einer Rüstungsfabrik, wo Not am Mann war, angenommen hatte. Sie war für ihren Bruder eingesprungen, als der eingezogen wurde. «Und wissen Sie was?», sagte sie zu mir. «Es ist ganz leicht! Am Ende der Schicht bin ich natürlich kaputt, aber was hat er immer für ein Theater gemacht: harte Arbeit, Männerarbeit – und nun stelle ich fest, dass ich es ganz leicht schaffe. Die Arbeit ist weder so hart, wie von der Stütze Kinder großzuziehen, was meine Mutter machen musste, noch wie eine Wohnung sauber zu halten. Eins sage ich Ih nen, wenn alles wieder beim Alten ist, nachdem wir das Schwein Hitler auf den Mond geschossen haben, bin ich die Letzte, die einen vorn und hinten bedient, und wenn er dreimal in der Fabrik arbeitet. Mir sind die Augen aufgegangen», sagte sie. Ich musste daran denken, was für ein Aufruhr wohl zwischen den Ge schlechtern herrschen wird, wenn die Männer zurück kommen und das Leben erwarten, das sie von früher gewohnt sind, und die Frauen haben sich inzwischen gründlich verändert.
Gleich nachdem ich vergangene Woche Ihren Brief er halten hatte, bin ich nach Brighton gefahren. Ich konn te die Eltern von Wendy Percival ganz leicht ausfindig machen, indem ich beim dortigen Lokalblatt nachfrag te. Ein Mord an einer Einwohnerin ist selbst heutzuta ge noch eine Schlagzeile wert. Die Percivals wollten zunächst nicht mit mir sprechen, obwohl ich mich überaus mitfühlend zeigte, aber als ich erklärte, dass Lord Peter mich geschickt habe, um bei der Jagd nach dem Mörder zu helfen, änderten sie ihre Meinung, ba ten mich herein und beantworteten mir alle Fragen. Ich hoffe. Sie finden es nicht sehr anstößig von mir, Lady Peter, dass ich gesagt habe, ich käme von Lord Peter, aber es ist doch sehr nah an der Wahrheit, denn ich bin sicher, wenn er da wäre, dann hätte er mich auch geschickt. Allerdings fürchte ich, dass ich mich durch meine Arbeit langsam daran gewöhne, kleine Notlügen zu gebrauchen.
Die beiden sind jedenfalls sehr ehrbare Leute. Mr. Percival ist Filialleiter einer Bank und sitzt im örtli chen Stadtrat. Mrs. Percival hat eine bunt bewegte Vergangenheit – sie war Schauspielerin, und überaus glamouröse Bilder von ihr in verschiedenen Rollen hängen überall im Haus. Es ist ein hübsches Regency Haus in guter Lage und sehr gut eingerichtet, in einer Art, Lady Peter, die man bescheiden, aber geschmack voll nennen könnte. Sie haben drei Töchter, aber mir schien, Wendy war ihnen die liebste. Mrs. Percival hätte es wohl gern gesehen, wenn ihre Tochter ihr an die Bühne gefolgt wäre, aber Wendy gefiel der Gedan ke an die notwendige Disziplin und die allabendlichen Auftritte nicht – sie ging gerne tanzen, liebte Reisen und ein aufregendes Leben.
«Meine Tochter war ein fröhliches Mädchen, Miss Climpson», sagte Mr. Percival, «lebenslustig und ein wenig eigensinnig. Aber wissen Sie, sie war so klug. Sie hat einen sehr guten Abschluss gemacht und konn te sich dann mit einem Leben bei uns daheim nicht abfinden.»
Langer Rede kurzer Sinn, Lady Peter: Wendy wollte auf Reisen gehen, und die Percivals meinten, sie kön ne jetzt auf eigenen Füßen stehen, derweil ihre he ranwachsenden Schwestern noch ihrer Unterstützung bedürften. Sie hatten gehofft, Wendy würde eine gute Stelle finden, aber sie suchte sich immer nur Aushilfs arbeiten in Hotels oder als Verkäuferin, um ihre Aus landsreisen zu finanzieren. Als der Krieg begann, schlug Mr. Percival ihr vor, sich mit ihren Sprach kenntnissen beim Geheimdienst zu bewerben, und er war enttäuscht, als sie sich als Landwirtschaftshelfe rin meldete. Sie hatte eine exklusive Mädchenschule besucht, und einige ihrer alten Freundinnen gingen zur Women's Land Army. Was Sie sicher am meisten interessiert, Lady Peter, sind die Jungs. Das Problem ist, sie hatte Dutzende junger Freunde, und die Eltern haben den Überblick verloren. Wendy hat sie nicht ins Vertrauen gezogen, und, Lady Peter, ich begreife auch den Grund. Es muss schon sehr anstrengend sein, El tern zu haben, die
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