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Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten

Titel: Wimsey 16 - Mord in mageren Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers & Jill Paton Walsh
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Er hätte die Kirchturmwendeltreppe in Hochgeschwindigkeit hinunter- und dann wieder hinaufsprinten müssen, und es waren 142 Stufen. Sie musste möglichst vollständig herausfinden, wer sonst noch in dieser Nacht über der Erde Dienst gehabt hatte. Dann war da außerdem natürlich Mrs. Spright und alle anderen, die geschwänzt hatten. Himmel! Das schloss sogar die eigene Mrs. Trapp ein! Wie lächerlich – und doch war es die nüchterne Wahrheit, dass jeder, der nicht an der Luftschutzübung teilgenommen hatte und friedlich zu Bett gegangen war …
    Harriets Blick blieb an Punkt zwei hängen. Es gibt doch noch einen zweiten Ausgang aus den Schutzräu men. Die Methodistenhöhle hatte sie bislang überhaupt noch nicht zu Gesicht bekommen. Das war doch wenigstens mal ein Grund, aktiv zu werden. Hiermit ließ sich ein bisschen Beinarbeit verbinden. Sie nahm eine braune Mappe aus der Schreibtischschublade, beschriftete sie PETER in Sachen Wendy Percival. Nach Rückkehr zu lesen und heftete ihren eigenen Brief wie auch den von Miss Climpson ordentlich darin ab. Dann setzte sie ihren Hut auf und verließ das Haus.

Sechs

    Ach, war sie eine Bauernmaid, Ich könnt ihr sel'ger Bauer sein!
    Robert Bums, «The Lass o' Ballochmyle», 1786

    Die Methodisten hatten die Paggleham-Höhle in Gebrauch genommen, eine eigentümliche landschaftliche Erscheinung, von der Harriet gehört, die sie aber noch nie gesehen hatte. Sie holte eine abgegriffene Geschichte Pagglehams aus dem Regal – einer der Amtsvorgänger von Pfarrer Goodacre hatte sie verfasst, und sie zählte zu den wenigen Büchern, die Harriet von ihrem Vater geerbt hatte. Die Höhle war nicht, so erfuhr sie jetzt, als Munitionsdepot gebaut worden, obwohl sie zweifellos als solches verwendet worden war. Man hatte sie 1740 bei einer Ausgrabung entdeckt, als der Friedhof erweitert wurde, um den Bau eines Mausoleums für die Familie Wyndham zu ermöglichen. Während die Arbeiter das Gelände für das geplante umfängliche Bauwerk rodeten, waren sie auf einen Mühlstein gestoßen, und als sie ihn beiseite schafften, fanden sie darunter ein Loch, das sich als tiefer Schacht entpuppte. Weitere Erkundungen – zunächst durch einen Bauernjungen, den man an einem Seil in die Tiefe hinabließ – enthüllten die Existenz einer großen glockenförmigen Höhle, in den Kreidefelsen gehauen und zur Hälfte mit lockerer Er de angefüllt. Durch die nun einsetzende fieberhafte Schatzsuche wurde die Erde schnell abgetragen. Als man außer ein paar Scherben und Tierknochen nichts fand, wandte sich die Aufmerksamkeit den eigenartigen Einkerbungen in der festen Kreide der Wände zu. Hochwürden Montague Brown hatte in seiner Schrift von 1760 die als Flachrelief in die Kreide gearbeiteten Figuren als frühchristliche Heilige identifiziert. Die Auswahl aus dem mannigfaltigen Angebot des Altertums trug seltsame Namen wie St. Neot, St. Uny, St. Chad oder St. Erth. Merkwürdige Legenden rankten sich um die Heiligen, wie die Fähigkeit, auf schwimmenden Blättern Ozeane zu überqueren oder aus einer Viehherde Gemeindemitglieder zu machen. Browns Interpretation rief jedoch den Verfechter einer ganz anderen Theorie auf den Plan, der zufolge die Figuren und Symbole wesentlich älter waren, vorchristlich nämlich und zutiefst heidnisch und druidisch. Die große Mode der Altertümelei im 18. Jahrhundert beförderte die Nachfrage danach, die Höhle zu besichtigen. Nachdem es nicht infrage kam, elegante Herrschaften ins Innere der Erde abzuseilen, wurde mit den Mitteln eines ortsansässigen Grundbesitzers ein schräg abfallender Gang in den Fels getrieben. Der Finanzier holte seine Aufwendungen dadurch wieder herein, dass er ein Eintrittsgeld erhob. Das in Zeiten der Kontroverse, wen die Figuren an den Wänden darstellten, geweckte überwältigende Interesse war längst erloschen, und nun war der Gemeinderat für das Loch zuständig. Er hatte den Zugang mit einem Zaun und das ursprüngliche Loch mit einer Schutzkappe versehen lassen, und die Anlage war weitgehend in Vergessenheit geraten, bis man sie in jüngster Zeit wieder brauchte. Harriet hatte beim Stadtkämmerer umstandslos die Schlüssel erhalten, jetzt stieg sie die abschüssige Rampe hinab und schloss die Tür auf. Der Grund für ihren Besuch – zu überprüfen, ob man die Höhle unbemerkt verlassen konnte – hatte sich sofort erledigt. Es ging nicht. Weit oben über ihr saß der Deckel auf dem Loch, die Wände stiegen bis zu einer Höhe von

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