Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
war. Der Teppich war steif und knirschte leise, als Kai und Hieronymus auf das Gebilde auf der anderen Seite des Raumes zugingen.
Kai konnte seinen Blick davon nicht lassen. Es war zu unwahrscheinlich, zu fantastisch, um real zu sein.
Dort, neben dem Gerät, das für das winterliche Klima sorgte, stand ein massiver Eisblock. Er war unförmig, glänzte im gelben Licht der Lampe an der Decke. Und in ihm war eine junge Frau.
Die Frau war schön. Eisig blau waren Haut und Lippen. Ihr Gesicht wirkte erschrocken und sie hatte die Hände erhoben, als würde sie sich gegen etwas wehren wollen. Es war, als blicke Kai durch eine Glasscheibe auf eine Wachsfigur. Vielleicht war es auch nur eine Puppe. Es war schließlich unmöglich, dass ein echter Mensch in einen Eisblock eingeschlossen war. Also stellte sich ihm die Frage, wieso sein Vater die Figur einer jungen Frau in einen Eisblock einschließt und diesen wiederum in einen dreifach gesicherten Tresor unterbrachte.
Es gab so viele Fragen, die er stellen wollte. Doch er sah sich in diesem Moment nicht in der Lage dazu. Viel zu gefesselt war er vom Blick der schönen Puppe. Ihre schwarzen Haare umnebelten ihr Gesicht, als sei sie in Wasser eingetaucht. Auch die Falten ihrer Kleidung schwebte himmelwärts, als wäre sie in Fluten gestürzt und dann einfach mitten in der Bewegung erstarrt. Sie hatte grüne Augen, die weit aufgerissen waren.
„Was ist das?“, fragte er endlich. Herr Austen hatte sich im Hintergrund gehalten und beobachtete die Neugier seines Sohnes mit Stolz und auch Genugtuung.
„Wozu …“
„Darf ich dir Louise vorstellen?“ Herr Austen trat an den Eisblock heran. Sein Atem stand ihm als weiße Wolke vor den Lippen. „Louise Nandalle. Aus Frankreich.“
„Wieso hast du …?“, begann Kai noch einmal. Doch er wurde erneut unterbrochen.
„Mein Sohn, du stehst vor dem ersten und äußerst langjährigen Experiment deines Vaters. Louise befindet sich seit einem Jahr in meiner Villa. Sie ist das erste Element, das in ihrem eigenen Element gefangen ist.“
Zuerst verstand Kai nicht, was sein Vater damit meinte. Die Kälte ließ seine Finger steif werden und er schlang fröstelnd die Arme um seinen Oberkörper. Dann war ihm, als dämmerte es ihm allmählich. Er deutete auf die junge Frau. „Willst du mir sagen. Louise ist... sie ist ein lebendiger Mensch?“, fragte er erschrocken. Hieronymus lächelte. „Aber ja. Sie ist eine Waise, die ich auf meiner Reise nach Frankreich kennen gelernt habe. Ich entdeckte, dass sie ein Element ist und holte sie hierher. Sie wahr arglos bis zu dem Zeitpunkt, als sie begriff, dass ich sie nicht adoptieren würde. Als sie herausfand, dass sie mir als Versuchsobjekt dienen sollte, wehrte sie sich dagegen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als sie zu bestrafen. Ob sie noch lebt, weiß ich allerdings nicht.“
Nun wich Kai zurück. Die grünen Augen der Frau waren ihm auf einmal unheimlich. Niemand konnte das überleben. Sein Vater hatte dieses Mädchen kaltblütig und auch noch möglichst brutal ermordet.
„Was für ein Element ist sie?“, wollte er wissen und zwang sich, ruhig zu bleiben. Die Reihe weißer Zähne im Gesicht seines Vaters zeigte sich schon wieder. Man konnte den Stolz in seiner Miene lesen. Kai wusste nur nicht, ob dieser Stolz ihm selbst galt oder der Neugierde seines Sohnes. „Nun, Louise ist das Eis.“, flüsterte er und streichelte über das erstarrte Gesicht in dem Block.
Nun gewann seine Neugierde über seinen Ekel. „Das Eis? Aber dieses Element gibt es nicht. Es gibt nur Wind, Feuer, Wasser und Erde. Diese vier, mehr nicht.“
„Ja, das glaubte ich auch.“ Herr Austen schien erregt, da er endlich jemanden hatte, mit dem er über seine Theorien sprechen konnte. „Aber dann traf ich sie und sah , dass sie das Eis kontrollierte. Deshalb musste ich unbedingt erfahren, wer ihre Eltern sind. Doch leider fand ich nichts über ihre Herkunft heraus. Also wollte ich meine Experimente an ihr vollführen. Ich musste doch herausfinden, ob sie uns eine Hilfe sein konnte oder nicht. Oder ob sie vielleicht stärker war als der Wind. Doch leider zwang sie mich dazu, sie zu bestrafen. Eigentlich war sie geschickt.“ Er knirschte wütend mit den Zähnen. „So hat sie sich erfolgreich gegen meine Versuche verschlossen. Aber irgendwann. Wenn ich die nötige Kraft habe, ihr meinen Willen aufzuzwingen, werde ich sie auftauen und sehen, ob sie noch lebt. Und dann finde ich heraus, woher ihr Element
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