Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
davon erzählte, wie schön es wäre, dich wieder bei sich zu wissen.“
Er öffnete den Mund, als Karla auf einmal wieder in der Tür erschien und sich neben sie setzte. „Da wollte ich in die Küche, um die Lebkuchen zu holen. Und nun sind sie alle verschwunden. Sicher haben die Heinzelmännchen sie gegessen. So wie sie mir damals mein Kind geraubt haben. Auf einmal ist alles weg.“
Kai konnte den Rest des Nachmittags die Augen von der Nonne nicht mehr lassen. Sie ging herzlich und freundlich mit seiner Mutter um, scherzte und lachte mit ihr als wäre sie gesund. Er fand keine Parallele zu dem Verhalten seines Vaters seiner Frau gegenüber. Er behandelte sie mit einer gewissen Distanz und Kühle. Diese Schwester hatte auf jeden Fall ein Herz für seine Mutter. Und auch für ihn? Oder hatte sie ihn angelogen?
Nach vier Stunden verabschiedete sich die Nonne und Kai blieb mit seiner Mutter allein in dem Zimmer. Er sollte aufstehen und gehen. Er sollte sich noch einmal in Meditation üben. Schließlich war es seine vorrangige Aufgabe, den Verbleib des Zylinders zu ermitteln! Doch seine Mutter war heute so klar wie selten und vielleicht war dies seine einzige Möglichkeit, etwas über ihre Beweggründe herauszufinden.
Er fasste sich ein Herz, nahm ihr weichen und kalten Hände in die seinen und sah ihr in die Augen. „Mutter, bitte, hör mir zu!“ Sie lächelte und streichelte sein Gesicht. „Mutter, liebst du mich?“
„Aber ja.“, gab sie zurück. „Das sage ich doch die ganze Zeit.“
„Wieso hast du mich weggegeben, Mutter?“, wollte er weiter wissen. Er sah ihren Schmerz in den Augen und fasste ihre Hände fester. „Ich glaube dir, dass du mich liebst. Wieso also wolltest du, dass ich nicht hier, sondern woanders aufwachse? Was hat dir solche Angst gemacht?“
Karla sah über ihre Schultern zur Tür und vergewisserte sich, dass niemand außer ihnen im Raum war. Weder ihre Pfleger, noch der Lakai ließen sich sehen. Man überließ diese eine Stunde nur Karla und ihrem Sohn. Kaum wusste sie, dass sie allein waren, wandte sie sich ihm zu. Und ihre Augen war so klar, dass er nicht an ihren Worten zweifelte.
„Mein Sohn, was immer dir dein Vater erzählt hat, es entstammt nicht der Wahrheit. Weder liebt er dich, noch bin ich geistig krank. Ich bin bei vollem Verstand.“ Geschockt starrte er sie an. „Aber wieso...?“, begann er, doch sie fiel ihm ins Wort. „Still jetzt, ich habe nicht so lange Zeit, dir alles zu erzählen. Bald schon werden sie kommen und mich mit sich nehmen. Sie lassen mich selten lange unbeaufsichtigt. Mein Sohn, es ist besser, wenn du fliehst, sobald du die Gelegenheit dazu hast. Bevor sie dich zu weit in ihren Strudel mitreißen. Ja, ich kenne dein Geheimnis. Ich weiß, was dich mit ihnen verbindet. Ich wusste es seit deiner Geburt, als ich spürte, dass etwas mit gewaltiger Kraft in sich meinen Leib verließ, wie es auch bei meinem ersten Kind der Fall gewesen war. Sie ließen dich am Leben, doch ich wusste, dass sie es nur taten, weil sie Pläne mit dir hatten. Und das wollte ich dir ersparen. Deshalb ließ ich dich fort bringen. Leider hat es nichts gebracht. Zu schnell haben sie dich gefunden. Ich hoffe, dein Leben war bisher glücklich. Denn fortan wird es nicht so sein.“
Er sah sie an und fühlte den Schmerz, der in ihm aufkam. Auch diese Frau log ihn nicht an! Sie sagte ihm die Wahrheit! „Was tun sie?“, wollte er wissen. „Was tun sie mit dir, Mutter?“
Sie lächelte. Ihre kraftlose Hand umschloss seine. „Ich weiß, dass dein Vater mich nicht liebt. Er bestraft mich. Er bestraft mich dafür, dass ich dich ihm weggenommen habe. Ich weiß, dass er mir Drogen gibt, um mich an ihn zu binden. Nur manchmal bin ich klar und weiß, was um mich herum geschieht. Und deshalb habe ich dich erkannt, Kai. Ich wache über dich, mein Sohn. Ich lasse nicht zu, dass er dir etwas antut.“
„Mutter, flieh!“, begehrte er auf. „Du musst fliehen, wenn alles so ist, wie du sagst!“
Sie schüttelte traurig den Kopf. Draußen wurden Schritte laut. „Ich kann es nicht. Weil ich schwach und feige bin, Kai.“, meinte sie wahrheitsgetreu. „Es ist für mich einfacher, so zu tun, als würde ich nicht mitbekommen, was um mich herum geschieht. Dann lassen sie mich zumindest am Leben. Und auch dich.“ Zwei Männer erschienen in der Tür. Sie trugen die Kleidung der Pfleger.
„Komm, Karla, es ist Zeit für deine Medizin.“ Einer von ihnen hielt einen weißen Becher in der
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