Wind - Das Bündnis der Elemente (German Edition)
war noch nicht bei der Arbeit erschienen. Sein Schreibtisch lag verlassen da und badete im Licht der aufgehenden Sonne. Papiere stapelten sich auf der Ablage. Heute mussten sie Berichte korrigieren. Plötzlich sah er den Schein, der von dem Tisch ausging. Neugierig lief Johannes hinüber und nahm das Bild auf, das die Sonne widergespiegelt hatte. Er wusste gar nicht, dass Bernd auch eine Familie hatte. Auf dem Foto war eine junge Frau zu sehen, die sich gerade über einen kleinen Jungen beugte. Beide trugen sehr feine Kleidung; anscheinend hatte man das Bild auf einer Feierlichkeit aufgenommen. Die Frau hatte lange schwarze Haare. Sie war sehr hübsch, obwohl sie schon einige Jahre erlebt haben musste. Keiner von ihnen kümmerte sich um die Kamera. Hatte Bernd selber dieses Foto geschossen? Ich habe ihn nie beachtet. ging es Johannes durch den Kopf. Mit sanften Fingern strich er über das Glas und stellte das Bild dann wieder an seinen Platz. Wer wusste, wer noch alles über diesen Mann hinweg sah? In all der Zeit, die sie zusammen gearbeitet hatten, hatte der Reporter seinen Kollegen niemals gefragt, ob er eine Familie hatte. Ob er Freunde hatte. Oder einfach nur, wie es ihm ging. Johannes nahm sich vor, das zu ändern.
Er roch, dass der Kaffee fertig war. Das war genau das, was er jetzt benötigte, um wach zu werden. Während er das heiße Gebräu in kleinen Schlucken schlürfte, ging ihm durch den Kopf, dass er morgen Hochzeitstag hatte. Er hatte sich noch nicht überlegt, was er seiner Frau Dorothea schenken sollte. In letzter Zeit war das Geld knapp gewesen. Und nun fragte er sich, was er sich leisten konnte und was gleichzeitig auch passend für einen solchen Freudentag war. Einen Strauß Blumen und ein netter Abend in dem kleinen Italiener am Steinplatz? Oder doch ein Schmuckstück mit eingraviertem Spruch? Er wusste es noch nicht. Nachdem er sich einmal lang gestreckt hatte, stürzte er sich in die Arbeit. In der Pause in zwei Stunden würde er darüber nachdenken, was er seiner Frau schenken sollte. Sicher würde ihm noch etwas einfallen.
Gerade befand er sich mitten in einem Bericht über die Wirtschaft des Landes, als das Telefon neben ihm laut klingelte. Einen Moment hob er den Kopf und starrte den Hörer an, der vor sich hin rappelte. Dann begriff er, dass er das Gespräch annehmen musste und hob den Hörer an sein Ohr.
„Herr Fontik?“, erklang die pikierte Stimme der Empfangsdame. Frau Uhrig klang so abweisend wie eh und je. Er wunderte sich nicht, schließlich hatte er sie lange genug aufgezogen. „Hier ist ein junger Mann, der Sie sprechen will. Er will mir seinen Namen nicht nennen, doch er sagt, er kennt Sie.“
Johannes runzelte die Stirn. Es kam ihm auf Anhieb niemand in den Sinn, der etwas von ihm wollen könnte. Ihm fiel auch niemand ein, der ihn in letzter Zeit angesprochen hatte. „Sagen Sie ihm, wenn er seinen Namen nicht sagen will, weiß ich auch nicht, ob ich mit ihm reden will.“
„Ich glaube,...“ Doch sie verstummte. Johannes tippte unruhig mit den Fingerspitzen auf dem Schreibtisch. Und zog überrascht die Augenbrauen hoch, als auf einmal am Hörer eine männliche Stimme erklang.
„Ich rate Ihnen, mich nicht zu übergehen.“, warnte diese. „Dann mache ich Ihnen das Leben nämlich zur Hölle. Und jetzt schwingen Sie ihren Hintern hier runter. Wir müssen reden.“ Nach dieser Ansprache erklang aus dem Hörer nur noch ein lang gezogener Ton. Der Fremde hatte aufgelegt.
Noch mehr verwundert legte Johannes den Hörer auf das Telefon und nahm sich seinen Schlüssel vom Haken neben der Bürotür. Es war fraglich, dass er in der Empfangshalle auf einen seriösen Menschen mit einer seriösen Geschichte treffen würde. Doch irgendetwas Forderndes hatte in der Stimme gelegen. Und er kannte diese Stimme. Er hatte sie schon einmal irgendwo gehört, dessen war er sich mit einem Mal sicher. Nur konnte er sie nicht zuordnen.
Er nahm den Lift nach unten und beobachtete die blinkenden Lämpchen. Sein Instinkt witterte eine große Geschichte. Schon seit längerem hatte er Karl nichts von besonderem Wert abliefern können. Er fürchtete, sein langjähriger Freund würde die Stelle streichen. Langsam musste er sich etwas einfallen lassen.
Mit einem Klingeln öffneten sich die Türen des Aufzuges. Johannes trat auf den Marmor der Empfangshalle, der wie durch ein Wunder von dem Brand verschont geblieben war. Die Sprinkleranlage an der Decke der Halle hatte den größten Schaden
Weitere Kostenlose Bücher