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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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paar Tagen. Kann sein, dass er sich inzwischen wieder eingeschifft hat, um etwaigem Ärger aus dem Weg zu gehen, denn dass Ihr begnadigt wurdet, dürfte ihm gewiss nicht entgangen sein. «
    » Er ist in London? « Ungläubig starrte Duncan seinen Gastgeber an. » Habt Ihr ihn gesehen? «
    » Ich selbst nicht, aber andere. Winston war persönlich in Whitehall und hat die Urkunde mit Eurem Todesurteil dort hinterlegt. «
    » Und gleichzeitig hat er ein paar Wachoffiziere geschmiert « , sagte Duncan grimmig. » Damit die es weder Blake noch Euch erzählten, sondern mich gleich ins Loch warfen, sobald ich auftauchte. «
    » So wird es wohl gewesen sein « , sagte Ayscue. » Beweisen kann man es leider nicht. « Er lächelte flüchtig. » Aber Ihr werdet sicher Mittel und Wege finden, Euch Genugtuung zu verschaffen. «
    » Im Augenblick bin ich nur froh, dass ich überhaupt am Leben bin « , bekannte Duncan. Das Reden hatte ihn angestrengt, er war schon wieder müde. Wie lange es wohl dauern würde, bis er sich von der Kopfverletzung erholt hatte? Bisher hatte er in den vielen Kämpfen, die er schon zu Lande und zu Wasser ausgefochten hatte, alle möglichen Wunden davongetragen, sein Körper war von Narben übersät. Aber er war nicht gut darin, geduldig im Bett zu liegen und zu warten, bis er genesen war. Meist war er schon längst wieder auf den Beinen gewesen, wenn der Arzt ihm noch strengste Ruhe verordnet hatte. Diesmal schien es ihm jedoch, als habe der Ratschlag des Arztes seine Berechtigung, denn es war ihm schlechterdings unmöglich, so zu tun, als sei er wieder gesund. Erschöpft schloss er die Augen.
    » Verzeiht meine Unhöflichkeit « , murmelte er.
    » Unsinn « , sagte Ayscue. » Ihr braucht den Schlaf. Und ich muss sowieso fort. « Er stand auf und legte Duncan die Hand auf die Schulter. » Betrachtet mein Haus als das Eure, bis ich zurückkomme. Ruht Euch aus und werdet wieder gesund. Und dann denkt darüber nach, ob Ihr nicht Interesse habt, zur Abwechslung ein wenig in heimischen Gewässern zu kreuzen. Ich könnte noch einen guten Geschwaderkommandanten brauchen. «
    Duncan zog es vor, sich schlafend zu stellen. Der Admiral verließ mit leisen Schritten den Raum.
    Annes Ziel in London war nur noch einige Straßen weit entfernt, als ein Radbruch ihre Reise jäh enden ließ. Die Kutsche brach zur Seite weg und kam in starker Schräglage auf dem schlammigen Untergrund zum Stillstand. Der Kutscher fluchte in allen Tonlagen, und Anne rieb sich den Kopf, den sie sich am Holm gestoßen hatte. Gemeinsam mit den beiden anderen Mitreisenden stieg sie aus, ein mühseliges Unterfangen angesichts der himmelwärts weisenden Tür. Männer eilten herbei und bockten das beschädigte Gefährt am Straßenrand hoch, während ein Laufbursche bereits zur nächsten Wagenschmiede unterwegs war. Anne, die mit leichtem Gepäck reiste, zog es vor, den Rest des Weges zu Fuß zurückzulegen, statt sich auf die umständliche Suche nach einem anderen Fuhrwerk zu machen. Der Kutscher wies in die Richtung, die sie einschlagen musste, und weil einer der Reisenden– ein elegant gekleideter Dandy namens Creed, der seine Mutter besuchen wollte– denselben Weg hatte, musste sie nicht allein gehen.
    Nach der ländlichen Stille von Raleigh Manor war die lärmende Betriebsamkeit Londons ein unerwarteter Schock. Die Erinnerungen hatten wenig mit dem zu tun, was sie hier sah. Statt breiter, gepflegter Straßen mit festem Pflaster hatte sie von Unrat übersäte Gassen vor sich. Sie passierten einen Misthaufen, um den unzählige blaue Fliegen herumschwirrten. An der nächsten Ecke stand eine Karre mit faulendem Abfall im Weg. Allenthalben herrschte Lärm und Gedränge. Sie stolperte hinter Mister Creed her, über einen kleinen Marktplatz, der vollgestopft war mit Ständen, Tischen, Fässern und großen Körben. Hier war alles Mögliche zu haben, von Hausrat, Flechtwerk und Stoffen über billigen Tand bis hin zu Kräutern und Pasteten. Die Rufe der Marktschreier hallten von allen Seiten zu ihr herüber. Bellende Hunde, gackernde Hühner, greinende Kinder, rumpelnde Karren– der Radau war unbeschreiblich. Anne schien es, als müsse ihr der Kopf davon platzen. Ein Bettler kreuzte ihren Weg und streckte die mit Geschwüren übersäte Hand aus, und als sie ihm nichts gab, betastete er mit bittendem Lächeln ihre Reisetasche.
    Mister Creed sah es und stieß den Mann weg.
    » Auf das Gesindel müsst Ihr achten, Mylady, die stehlen Euch die Schuhe

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