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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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musste Euch leider Gottes trepanieren, sonst hättet Ihr diese Verletzung höchstwahrscheinlich nicht überlebt. «
    Duncan wollte Ayscue fragen, was zum Teufel er mit trepanieren meinte, doch dann fiel es ihm von selbst ein. Der Arzt hatte ihm mit einem Bohrer ein Loch in die Schädeldecke gebohrt. Das hatte der Wärter zu verantworten, der ihn mit dem Knüppel traktiert hatte. Aber die eigentliche Schuld trug Eugene Winston. Duncan wartete auf die sengende Flamme der Wut in seinem Inneren, doch er spürte nur die schwere Müdigkeit, die ihm das Denken unmöglich machte. Die Augen fielen ihm zu, er konnte nichts dagegen tun.
    » Schlaft nur und werdet gesund « , hörte er Ayscue noch sagen, dann versank er wieder in der Dunkelheit.
    Beim nächsten Aufwachen war es taghell im Zimmer. Duncan fühlte sich immer noch schwach, aber er konnte Arme und Beine bewegen und sich aus eigener Kraft im Bett aufsetzen. Vorsichtig betastete er die schmerzende Stelle am Hinterkopf. Als Erstes stellte er dabei fest, dass ein Teil seines Schädels kahl war. Man hatte ihm also nicht nur ein Loch in den Kopf gebohrt, sondern ihm auch eine gute Handbreit Haare abgeschoren. Die Wunde selbst war unter einem Verband verborgen, aber er bildete sich ein, die Ränder des aufgebohrten Knochens ertasten zu können. Schaudernd zog er die Hand weg. Ob das Loch je wieder zuheilte? Oder würde er für den Rest seines Lebens mit einer Öffnung von der Größe eines Daumennagels im Schädel herumlaufen? Zum Glück hatte er noch genug Haare. Sobald sie ausreichend nachgewachsen waren, würden sie die Stelle hoffentlich bedecken. Und es gab ja noch Hüte, von denen er einige recht passable besaß.
    Ein menschliches Bedürfnis verdrängte seine Überlegungen hinsichtlich etwaiger Kopfbedeckungen. Er versuchte aufzustehen, doch das hätte er besser gelassen, denn er konnte sich gerade noch am Bettpfosten festhalten, sonst wäre er der Länge nach zu Boden gefallen. Er ließ sich wieder in die Kissen zurücksinken und wollte gerade einen zweiten Anlauf nehmen, als sich die Tür öffnete und die Magd hereinkam, die es offenbar übernommen hatte, sich um ihn zu kümmern. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem niedlichen runden Gesicht aus, als er sie beim Namen nannte.
    » Gott zum Gruße, Catherine. Ist es wohl möglich, dass Ihr mir ein… ähm, gewisses Behältnis bringt? «
    » Ihr seid wieder richtig bei Euch! « , sagte sie erfreut.
    » Richtig würde ich es nicht nennen. Aber ich schätze mal, ich mache auf dem Weg dorthin Fortschritte. «
    Sie brachte ihm den Nachttopf und wandte sich diskret ab, während er, auf der Bettkante sitzend, sein Geschäft verrichtete und sich dabei fragte, wie dieser Vorgang wohl während seiner Bewusstlosigkeit vonstattengegangen war. Er konnte sich nicht erinnern, Wasser gelassen zu haben, also hatte er während dieser Zeit wohl Windeln getragen. Er stellte den Topf vorsichtig auf dem Boden ab, dann legte er sich, erschöpft von dieser kurzen Anstrengung, wieder ins Bett, während Catherine geschäftig im Zimmer herumwuselte. Sie bestand darauf, ihm beim Anziehen eines sauberen Hemdes zu helfen, eine Aktion, die ihn abermals alle Kraft kostete.
    » Ich bin schwach wie ein Säugling « , stellte er missmutig fest.
    » Ihr wart dem Tode nah, Master Haynes. «
    Er fuhr sich über den Bart und bemerkte, dass er dringend eine Rasur brauchte.
    » Wie lange bin ich schon hier? «
    » Vier Tage. Die meiste Zeit habt Ihr geschlafen. «
    » Ist Lord Ayscue im Haus? «
    » Im Augenblick ist er unterwegs, aber gegen Mittag wird er wieder da sein. «
    » Das ist gut. Dann habe ich noch Zeit, mir dieses Gestrüpp abzuschaben. Ob Ihr wohl so freundlich wäret, mir Rasierzeug zu bringen, Catherine? «
    Die junge Magd half ihm bei der Rasur und legte dabei eine Umsicht an den Tag, die darauf schließen ließ, dass sie dergleichen nicht zum ersten Mal tat. Danach brachte sie Duncan ein leichtes Frühstück, bestehend aus etwas Rührei und weißem Brot. Dazu trank er süßen Tee. Anschließend erfasste ihn wieder bleierne Müdigkeit und hinderte ihn daran, über seine Lage nachzudenken. Er döste ein und wachte wieder auf, als George Ayscue erschien, diesmal in der Amtstracht der Marine. Er wirkte besorgt, doch zu Duncans Erleichterung hatte das nichts mit ihm zu tun, sondern mit dem Kriegsgeschehen.
    » Ich muss heute schon wieder in See stechen « , sagte Ayscue. » Die Holländer geben keine Ruhe. Scheint so, als müssten wir ihnen

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