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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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Jetzt! « Elizabeth warf dem Kaziken den Beutel zu, der ihn überrascht auffing und in der Hand wog, offenbar angetan von dem Gewicht. Er zog die Schnur auf und schaute hinein. Dann blickte er unter gesenkten Lidern zu seiner Gefangenen, die Zena soeben mit raschen Schnitten ihres Messers von den Fesseln befreite. Triumph, gepaart mit einer Spur von Verachtung, zeigte sich in seinen Zügen. Es war klar, dass er den Handel nicht einhalten wollte.
    » Bring sie weg « , befahl Elizabeth Zena. » So schnell du kannst. Lauft! « Sie hatte die Hand seitlich in den Ausschnitt ihres Gewands geschoben, so, als wollte sie die lose hängende Lederschnur wieder hineinstecken und ihr Unterkleid richten. Zena hatte Deirdre untergefasst und rannte mit ihr in Richtung Fluss. Der Kazike ließ die zwei nicht weit kommen. Drei, vier Hütten konnten sie passieren, aber noch bevor sie die gegenüberliegende Seite der Lichtung erreicht hatten, rief er einen lauten Befehl, und die beiden Männer neben ihm liefen los, ebenso zwei Schwarze, die Elizabeth zwar schon unter den anderen bemerkt, in Anbetracht der angespannten Situation aber nicht weiter beachtet hatte. Offenbar gehörten auch sie zu der zugewanderten Gruppe um den Kaziken. Die übrigen Eingeborenen machten keine Anstalten, in das Geschehen einzugreifen. Nicht wenige wirkten befremdet, auf einigen Gesichtern war sogar vorwurfsvolle Ablehnung zu erkennen. Elizabeth spürte ihren Unmut, der sich jedoch diesmal nicht gegen sie, sondern gegen den Kaziken richtete.
    Der beobachtete siegesgewiss, wie seine Männer die fliehenden Frauen verfolgten und dabei schnell aufholten. Deirdre stolperte mehrmals, geschwächt von der tagelangen Gefangenschaft. Zena stützte sie und zog sie vorwärts. Der Kazike brüllte einen weiteren Befehl. Einer der Kariben warf aus vollem Lauf seinen Speer auf Zena, der die junge Frau nur um Haaresbreite verfehlte. Vereinzelt waren entsetzte Aufschreie unter den Indianern zu hören, hier und da erhob sich wütender Protest, doch der Kazike störte sich nicht daran. Die zwei Kariben und die Schwarzen hatten die Flüchtenden fast eingeholt. Einer der beiden Indianer packte Zena am Schopf, riss sie zurück und holte mit dem Messer aus. Sie war darauf vorbereitet und schlitzte ihm mit ihrem eigenen Dolch das Gesicht auf, worauf er mit einem dumpfen Laut zurückwich und fassungslos die tiefe Wunde in seiner Wange betastete. Die beiden Schwarzen packten Deirdre und schleiften sie zurück in Richtung Lager, während der zweite Karibe mit gezückter Axt auf Zena losstürmte.
    Das Krachen des Schusses war ohrenbetäubend. Der Karibe ließ vor Schreck die Axt fallen und blieb stocksteif stehen. Ein weiterer Schuss, fast wie ein Echo des ersten, donnerte über die Lichtung. Einer der Schwarzen brach tödlich getroffen zusammen. Deirdre konnte sich dem Griff des zweiten entwinden und humpelte hastig zurück zu Zena. Die Indianer waren zu Elizabeth herumgefahren, die mit der rauchenden Pistole in der Hand dastand und reihum in verängstigte Gesichter blickte. Langsam wichen die Eingeborenen vor ihr zurück. Niemand versuchte, sie anzugreifen.
    » Lauft! « , rief Elizabeth den beiden Frauen zu.
    Sie selbst zielte auf den Kaziken und baute darauf, dass er glaubte, sie könne mit der Pistole mehrmals schießen. Der eine Schuss, den sie abgefeuert hatte, war in die Luft gegangen, auf die Entfernung war es um ihre Schießkünste miserabel bestellt. Dafür hatte Oleg besser gezielt– seine Kugel hatte den Schwarzen getroffen und ihn wie einen Klotz zu Boden stürzen lassen. Rückwärts gehend entfernte sie sich Schritt für Schritt von der Menschenansammlung und ließ den Kaziken nicht aus den Augen. Als sie an dem überlebenden Schwarzen und den beiden Kariben vorbeikam, rührte keiner von ihnen auch nur eine Hand. Ihnen war offenbar nicht entgangen, dass Elizabeth mit Verstärkung hergekommen war.
    Zena war mit Deirdre zwischen den Bäumen verschwunden. Elizabeth hatte beinahe den Rand der Lichtung erreicht, als der Kazike entschied, sie nicht davonkommen zu lassen. Er hätte einfach das Gold behalten und sie gehen lassen können, so wie es ausgemacht war, aber er fürchtete wohl den Gesichtsverlust. Mit einer raschen Bewegung nahm er seine Armbrust vom Rücken und legte auf Elizabeth an, doch bevor er abdrücken konnte, erstarrte er. Von allen Seiten ertönte ein einstimmiger Aufschrei, der in aufgeregtes Stimmengewirr überging. Die Augen des Kaziken verdrehten sich, er

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