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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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ihrer Panik so leise wie möglich. Doch außer Badru nahm niemand Notiz von ihr. Alle Indianer strömten am Rand der Lichtung zusammen. Auch der Schwarze richtete sich auf und schlenderte hinüber.
    » Warte! « , bettelte sie. » So hilf mir doch! «
    Doch er ging einfach weiter und gesellte sich zu den anderen. Die Indianer hatten sich vor einem großen Baum versammelt, wo zwei von ihnen lange Stricke über einen Ast warfen und dann mit vereinten Kräften ein schweres Gewicht hochzogen. Deirdre stieß einen wilden Schrei aus, als sie die Gestalt sah, die kopfunter von dem Ast herabbaumelte. Sie hatten ihn an den Füßen aufgehängt. Die Hände waren hinter seinem Rücken gefesselt. Sein Körper drehte sich mit grauenvoller Langsamkeit um die eigene Achse, bis Deirdre sein Gesicht sehen konnte.
    » Edmond! « , schrie sie. » Oh mein Gott! Edmond! «
    Sein Gesicht war von Blutergüssen bedeckt, ein Auge völlig zugeschwollen, der Mund eine blutige Masse. Doch er sah sie direkt an und versuchte, etwas zu sagen.
    Und dann trat der Kazike vor, ein langes Messer in der Faust.
    » Nein! « , schrie Deirdre. » Nein! Nein! « Sie schrie es immer wieder und wieder, auch noch, als es schon längst vorbei war und der Kazike mit dem bluttriefenden Messer auf sie zukam.
    Die schrillen Frauenschreie waren bereits von Weitem zu hören.
    » Das ist Deirdre! « , rief Elizabeth entsetzt.
    Jerry ließ das Ruder los und sprang auf. Mit verengten Augen starrte er hinüber zum Ufer.
    » Es kommt aus dem Wald « , meinte er. Seine Stimme zitterte vor Schreck.
    » Hier Dorf « , bestätigte Zena. Sie hockte achtern und beäugte aufmerksam die von dichtem Grün bewachsenen Ufer.
    » Lasst uns anlegen! « , rief Elizabeth. » Schnell! «
    Oleg und Sid hatten sich schon mit Macht in die Riemen gelegt und hielten auf das Ufer zu. Dort sahen sie einen Käfig, ein aus groben Holzstäben zusammengezimmertes Gebilde, das kaum größer war als eine Kleidertruhe und größtenteils im Wasser steckte, umgeben von Schilf und vom Moos herabhängender Äste. Als der Rumpf der Schaluppe auf Grund stieß, bemerkte Elizabeth das Wams. Es trieb im Käfig umher, von den sachten Wellen des Flusses gegen die Stäbe gedrückt. Mit den ausgebreiteten Ärmeln und dem geblähten Rücken sah es aus wie ein schlaffer Torso. Elizabeth holte entsetzt Luft, als ihr klar wurde, was das zurückgelassene Kleidungsstück zu bedeuten hatte– Edmond war hier eingesperrt gewesen, den Körper im Wasser und über sich gerade nur so viel Luft, dass er mit Mühe den Kopf über die Oberfläche strecken konnte.
    Sie sprangen ans Ufer, und während Sid und Jerry mit fieberhafter Geschwindigkeit das Boot vertäuten, rannte Oleg mit Riesenschritten den schmalen Trampelpfad entlang, der zwischen Schlinggewächsen und Baumriesen vorbei in den Wald führte.
    » Warte! « , rief Elizabeth ihm beschwörend nach, doch er hörte sie nicht mehr. Unverzüglich folgte sie ihm, voller Furcht, dass er entgegen allen Absprachen wie ein blindwütiger Berserker in das Dorf einfallen und schon nach wenigen Schritten im tödlichen Pfeilhagel sterben würde. Doch zu ihrer Erleichterung wurde er bald darauf langsamer und schlich sich von Baum zu Baum, immer darauf bedacht, in Deckung zu bleiben. Sie tat es ihm gleich, die Röcke mit einer Hand gerafft und mit der anderen die zurückschnellenden Zweige abwehrend. Geduckt huschte sie Stück für Stück vorwärts und lauschte dabei nach allen Seiten. Zena war dicht hinter ihr, lautlos wie ein Schatten. Sid und Jerry holten ebenfalls auf, Elizabeth hörte ihre Schritte im Dickicht.
    Sie waren nun nah beim Dorf. Deirdres Schreie waren in ein abgehacktes Schluchzen übergegangen. Es waren keine Schmerzenslaute, so viel war sicher. Oleg sah es offenbar ebenso, sonst hätte er wohl längst mit Brachialgewalt und ohne Rücksicht auf Verluste das Dorf im Alleingang zu stürmen versucht. Er blieb hinter einem Baum stehen und sah sich fragend zu Elizabeth um.
    » Wir machen es so, wie wir es auf dem Boot besprochen haben « , flüsterte sie. » Ihr bleibt hier, du und Jerry und Sid. Ich gehe mit Zena ins Dorf und verhandle mit den Indianern. Ihr gebt uns Rückendeckung und lasst euch erst blicken, wenn ich rufe, vorher auf keinen Fall. «
    Er nickte zögernd. Ihm war nicht wohl in seiner Haut, und obwohl er es sonst so meisterhaft verstand, seine Empfindungen zu verbergen, stand ihm auf die Stirn geschrieben, was er dachte. Zweifellos war ihm soeben wieder in

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