Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
fiel der Länge nach in den Staub. Tief vergraben in seinem Hinterkopf steckte eine Axt. Ein älterer Indianer mit ergrautem Haar hatte den Schlag ausgeführt. Hochaufgerichtet stand er über dem Toten und blickte sich herausfordernd nach allen Seiten um, aber niemand machte Anstalten, die Tat zu ahnden. Im Gegenteil, die Indianer schienen sie zu billigen. Der Alte bückte sich, nahm Axt und Armbrust an sich und befestigte beides unter den zustimmenden Blicken der anderen an seinem Gürtel. Dann schaute er quer über die Lichtung zu Elizabeth und nickte ihr kurz zu, als wollte er ihr sagen, dass damit nun alles sein Bewenden haben sollte. Es war schwer zu sagen, ob er Angst vor ihrer Pistole hatte oder ob ihm klar war, dass nicht sie den Schwarzen erschossen hatte, sondern ein Weißer, der nur ein paar Schritte hinter ihr im Dickicht kauerte. Falls er es wusste, ließ er jedenfalls nichts davon erkennen. Vielleicht wollte er auch einfach nur dasselbe wie sie– dass es vorbei war. Sie ließ die Pistole sinken, drehte sich um und lief mit großen Schritten davon.
    » Bei allen Teufeln « , keuchte Jerry. » Ich will ein ganzes Segel auffressen, wenn Ihr nicht die mutigste Frau seid, die ich je gesehen habe! « Er trampelte hinter Elizabeth über den Dschungelpfad in Richtung Fluss. Oleg, der einige Schritte hinter ihm war und sich immer wieder wachsam umdrehte, bildete die Nachhut. Sid, Zena und Deirdre liefen voran. Den halben Weg zum Fluss hatten sie schon zurückgelegt, und Elizabeth konnte immer noch nicht glauben, dass sie Deirdre befreit hatten. Aber Edmond…
    Ich hätte mit dem Alten verhandeln müssen. Bestimmt hätte er erlaubt, dass wir Edmonds Leichnam mitnehmen. Wir hätten ihn in Würde und nach den Riten der katholischen Kirche bestatten können.
    Doch dafür war es zu spät. Sie konnten nicht umkehren, denn wer wusste schon, wie lange der Sinneswandel der Indianer vorhielt. Ein erneutes Eindringen in ihr Dorf mochten sie als feindlichen Akt betrachten und entsprechend angriffslustig darauf reagieren. Dieses Risiko durfte sie kein weiteres Mal eingehen, nicht um eines Toten willen. Vielleicht würden die Wilden Edmond ja einfach begraben, dann wäre es fast wie eine normale Bestattung. Hauptsache, sie würden seinen Körper nicht… Nein, daran durfte sie jetzt nicht denken. Und sie würde auch Zena nicht danach fragen, denn es war möglich, dass die Antwort ihre schlimmste Befürchtung bestätigt hätte. Deshalb wollte sie es lieber gar nicht erst wissen. Es hätte sie für den Rest ihres Lebens um den Schlaf gebracht. Aber auch so war es grauenhaft genug.
    Sie blickte kurz über die Schulter zurück. Jerrys roter Schopf leuchtete zwischen den Zweigen, und dahinter war Oleg zu sehen, ein großer, schneller Schatten mit zwei Pistolen im Anschlag. Er hatte beide Waffen im Laufen nachgeladen. An der nächsten Wegbiegung stieß sie auf Sid, Deirdre und Zena, die dort schwer atmend stehen geblieben waren und auf sie warteten.
    » Was ist los? « , wollte Elizabeth besorgt wissen.
    » Scheint so, als käme Besuch. « Sid deutete in Richtung Flussufer.
    Elizabeth lauschte und hörte entfernte Männerstimmen.
    » Das muss der Colonel sein. Die Eingeborenen wissen offenbar nicht, dass sie in Gefahr sind. « Sie wandte sich dann an Deirdre. » Es ist euch nicht mehr gelungen, sie zu warnen, oder? «
    Deirdre schüttelte trotzig den Kopf. Es war klar, was sie dachte. Soweit es sie anging, konnten nicht genug von den Indianern mit ihrem Leben dafür bezahlen, was sie Edmond angetan hatten. Es zerriss Elizabeth das Herz, als sie in Deirdres von Leid umschattete Augen blickte, aber sie durfte das nicht zulassen. Dort oben im Dorf gab es Dutzende unschuldiger Kinder, allein um derentwillen musste sie versuchen, das drohende Massaker zu verhindern.
    » Wir müssen den Colonel und seine Männer aufhalten « , sagte sie entschieden. » Was können wir tun? « Sie wandte sich an Oleg, in der Hoffnung, dass er Rat wusste. Der große Kirgise schüttelte nur den Kopf.
    » Mylady, wir müssen zusehen, dass wir uns selber in Sicherheit bringen « , sagte Jerry. » Lasst doch Zena ins Dorf gehen. Soll sie ihre Leute warnen! «
    Elizabeth setzte an, Zena zu fragen, ob sie damit einverstanden sei, doch die Ereignisse, die im nächsten Moment auf sie einstürmten, machten schlagartig alle vorherigen Überlegungen zunichte. Oleg tat einen Satz auf Deirdre zu und stieß sie zu Boden, während nur den winzigen Bruchteil eines

Weitere Kostenlose Bücher