Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Ich bin wohlauf! «
    Elizabeth stieß den angehaltenen Atem aus. Gott sei Dank! Deirdre war am Leben!
    Der Kazike schrie Elizabeth in seiner Sprache an, und Zena antwortete ihm. Seine Augen verengten sich, und sein stechender Blick traf Elizabeth. Er sagte etwas zu ihr, und Zena übersetzte.
    » Er fragen, was du für Frau zahlst. «
    » Heißt das, ich kann sie freikaufen? « Elizabeth fühlte sich von Erleichterung durchströmt. » Was will er? Gold? «
    Zena nickte, sagte aber gleichzeitig leise: » Er sehr schlau. Wird nehmen Gold und Deirdre dazu. Und dich vielleicht auch. Er nicht wie meine Leute hier. Er und die zwei da von fremdem Stamm auf andere Insel. Falsche Zunge und böses Herz. «
    Elizabeth versuchte, sich ihr Erschrecken nicht anmerken zu lassen.
    » Sag ihm, dass ich viel Gold für sie gebe. Aber ich will sie vorher sehen. Ich muss wissen, ob es ihr gut geht. «
    Zena übersetzte es, und der Kazike scheuchte die umstehenden Indianer mit einer herrischen Geste aus dem Weg. Die bemalten, halb nackten Gestalten wichen zur Seite und gaben den Blick auf die Lichtung frei. Elizabeth hielt nach Deirdre Ausschau, aber das, was sie als Erstes sah, brachte sie zum Würgen. Sie versuchte, es zu unterdrücken, aber es gelang ihr nicht. Mit einem gepressten Laut beugte sie sich vornüber und erbrach sich auf den festgetretenen Waldboden. Keuchend richtete sie sich wieder auf, verzweifelt bemüht, nicht in hysterisches Schluchzen auszubrechen.
    Sieh nicht hin! Denk an Deirdre! Sie braucht dich jetzt! Nur du kannst sie retten!
    Doch das Grauen über den Anblick von Edmonds kopfunter baumelndem Leichnam hatte sie mit solcher Macht gepackt, dass sie kaum noch klar denken konnte. Sie hatte nur flüchtig gesehen, was sie mit ihm gemacht hatten, doch sie wusste, dass sie es für den Rest ihres Lebens niemals wieder würde vergessen können.
    Lieber Gott, betete sie stumm. Bitte gib mir Kraft! Hilf mir, stark zu sein!
    Währenddessen hielt sie abermals nach Deirdre Ausschau und stöhnte erleichtert, als sie sie endlich sah. Man hatte sie an einem Baum am Rand der Lichtung festgebunden. Ihre Hände und Füße waren gefesselt, und um ihren Hals lag ebenfalls ein Strick. Sie hatten ihr die Kleidung weggenommen und sie in einen kurzen Rock und ein noch kürzeres Oberteil gesteckt, das ihren Bauch unbedeckt ließ. Arme und Beine waren mit roten, weißen und schwarzen Symbolen bemalt, und auch ihr Gesicht war ein buntes Gemisch aus Farben, zerlaufen vom Weinen. Nur das rote Haar war unverkennbar, es ringelte sich in wilden Locken über ihre Schultern. Elizabeths Füße setzten sich wie von allein in Bewegung, sie lief einfach los, ohne den Kaziken um Erlaubnis zu fragen. Zena sagte etwas zu dem Mann, was dieser mit einer unwirschen Bemerkung beantwortete, aber er hinderte Elizabeth nicht daran, zu Deirdre zu gehen.
    » Deirdre! Gott sei Dank bist du am Leben! « Elizabeth sank vor der jungen Frau in die Knie und schlang die Arme um sie. Weinend hielten sie einander umfangen.
    » Er hat Edmond umgebracht! « , stieß Deirdre hervor. » Er hat ihn einfach getötet! « Ihr Körper wurde geschüttelt von haltlosem Schluchzen.
    Elizabeth konnte nichts sagen. Deirdres Leid und ihre eigene Angst schnürten ihr den Atem ab. Sie konnte nichts weiter tun, als Deirdre fest an sich zu pressen.
    Erst als sie aus den Augenwinkeln den Kaziken neben sich sah, gewann sie wenigstens einen Teil ihrer Beherrschung zurück. Hastig stand sie auf und winkte Zena zu sich.
    » Sag ihm, dass ich ihm alles Gold gebe, was ich dabeihabe. « Sie zog den Beutel, den sie um den Hals hängen hatte, aus dem Ausschnitt ihres locker fallenden Gewandes und nestelte ihn von der Schnur los. Ohne auf den lauernden Blick des Kaziken zu achten, fuhr sie an Zena gewandt fort: » Sag ihm, es sind zehn Goldstücke. Das ist mein gesamtes Vermögen. Es ist mehr, als es auf der ganzen Insel gibt, und auch mehr, als er jemals in seinem Leben auf einem Haufen sehen wird. «
    Zena übersetzte es mit lauter Stimme, worauf sich im Gesicht des Kaziken ein begehrlicher Ausdruck zeigte.
    » Frag ihn, ob ich Deirdre für diese Summe freikaufen kann « , forderte Elizabeth Zena auf.
    Der Kazike ließ es sich übersetzen und gab eine barsche Antwort.
    » Er will das Gold « , sagte Zena.
    » Und er gibt mir Deirdre dafür? «
    Der Kazike machte eine nachlässige Handbewegung.
    » Er sagt Ja, Mylady. « Zena fügte murmelnd hinzu: » Falsche Zunge! «
    » Ich weiß. Schneide sie los.

Weitere Kostenlose Bücher