Wind der Gezeiten - Roman
den richtigen Stellen. Dann werde ich dafür sorgen, dass dir Gerechtigkeit widerfährt. « Mit einem düsteren kleinen Lächeln hatte er hinzugefügt: » Sofern du es bis dahin nicht selbst in die Hand genommen hast. «
Die Werkstatt des Waffenhändlers lag nahe bei der Themse, hinter den Docks am Temple Pier.
Das Hämmern war schon von Weitem zu hören. Rauch stieg aus der Esse, und die Wärme des Schmiedefeuers drang durch das offene Tor nach draußen. Es war, als näherte man sich einem Ofen. Ein Geselle des Schmieds stand am Amboss und formte mit wuchtigen Hammerschlägen ein Werkstück. Der Meister bearbeitete im Hintergrund den Lauf einer Muskete mit der Feile. Er wischte sich die Hände an der Schürze ab, als Duncan die Werkstatt betrat. Eilfertig holte er die Pistole, die Duncan für Elizabeth bestellt hatte, aus einer Lade und führte sie vor.
» Seht nur, wie schmal sie ist und wie leicht sie in der Hand liegt! « Er reichte Duncan die Waffe. » Genau das Richtige für eine zarte Dame! «
» Meine Frau ist das Gegenteil von zart. « Unwillkürlich stellte Duncan sich Elizabeth beim Schwimmen und Tauchen vor, voll unbändiger Kraft und strotzend vor Energie. Und nackt, wie Gott sie geschaffen hatte. Bei dem Gedanken strömte das Blut in seine Lenden. Er umfasste den Schaft der Pistole und malte sich aus, wie er ihr die Waffe in die Hand drückte und ihr zeigte, auf welche Weise man sie am besten hielt. Er würde hinter ihr stehen und mit beiden Händen die ihren umschließen, den Kopf über ihrer Schulter, Wange an Wange, sodass sie gemeinsam ein imaginäres Ziel anpeilen konnten. Sie würde über irgendetwas lachen und dann den Kopf zur Seite drehen, sodass ihre Lippen seinen Mund streiften…
» Ist Euch nicht gut? «
Die besorgte Frage des Schmieds riss Duncan aus seinen Gedanken. Umgehend beteuerte er, dass er sich selten besser gefühlt habe und dass die Waffe wirklich großartig in der Hand liege. Gemeinsam mit dem Schmied ging er in das Hinterzimmer, wo es einen Schießstand gab. Er feuerte ein paar Kugeln in die große hölzerne Zielscheibe und war wie erwartet hoch zufrieden mit der Pistole. Sie ließ sich leicht bedienen und war treffsicher, und dank des Doppellaufs konnte man zweimal schießen. Elizabeth würde begeistert sein.
» Ich habe auch ein passendes Lederfutteral machen lassen « , sagte der Schmied. » Und dazu einen Leibgurt. Man kann ihn verstellen, er ist also auch für eine… ähm… korpulentere Dame geeignet. «
Duncan musterte den Mann irritiert, dann unterdrückte er ein Grinsen.
» Ach, da habt Ihr mich falsch verstanden. « Er hätte den Irrtum aufklären können, doch damit wollte er sich nicht aufhalten. Stattdessen fragte er den Schmied, ob er Zeit für eine Fechtstunde habe, was dieser freudig bejahte, denn Duncan bezahlte ihn fürstlich für diese Waffenübungen.
Umhang und Hut trockneten vor dem Feuer, während Duncan eine gute Stunde lang mit dem stumpfen Florett übte und dabei ins Schwitzen geriet. Der Waffenmeister war trotz seiner vierschrötigen Gestalt ein glänzender Fechter und verpasste Duncan so manchen Treffer, aber Duncan merkte auch, dass seine eigene Behändigkeit zunahm und dass seine Ausdauer kaum noch zu wünschen übrig ließ. Am Ende zeigte er sich deutlich überlegen, er wich den Stößen schneller aus und traf selbst häufiger.
Schnaufend legte der Waffenmeister schließlich das Florett weg und erklärte, ihm nichts mehr beibringen zu können. Duncan vernahm es mit Vergnügen. Bevor er ging, entlohnte er den Mann, und anschließend nahm er eine Mietkutsche und fuhr zur London Bridge. Dort hatte er noch eine Angelegenheit zu erledigen.
Anne und George Ayscue saßen eine Weile schweigend beisammen, nachdem Duncan das Haus verlassen hatte.
Anne flocht abwechselnd nervös ihre Finger ineinander und zupfte an ihrem tadellos sitzenden Kleid herum. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Ayscue schien es nicht besser zu gehen.
» Es regnet noch « , stellte er irgendwann zusammenhanglos fest.
Sie hob den Kopf und nickte, dann stand sie mit linkischen Bewegungen auf und schenkte ihm Tee nach, obwohl der längst kalt geworden war.
Ayscue wiederum erhob sich, um das Feuer im Kamin zu schüren. Der Umriss seiner Gestalt zeichnete sich vor dem hellen Widerschein der Flammen ab. Er stand mit dem Rücken zu ihr und zog den Schürhaken durch die brennenden Scheite.
» Bis ich all das Holz verbrannt habe, das Duncan mir beschert hat, braucht es
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