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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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nach dem Schwarzen, doch der kam nicht. Notgedrungen warf er unter den scharfen Blicken des Leutnants selbst ein paar Sachen in einen Reisesack. Seine Hände zitterten, jedoch mehr vor Wut als vor Angst. Er würde schon Mittel und Wege finden, in London seine Rechte zu wahren! Im Parlament hatte er einige Gönner. Sie hatten ihm zu diesem Posten auf Barbados verholfen und konnten ihn nicht einfach fallen lassen. Er wusste ein paar Dinge über sie, die es ihnen leicht machen würden, sich mit ganzer Kraft für ihn einzusetzen. In ein paar Monaten war er wieder hier, und alles würde weitergehen wie immer.
    Wenig später wurde ihm klar, wie sehr er sich irrte. Als er mit dem Seesack über der Schulter ins Freie trat, wurde er bereits von den Soldaten und Offizieren der Garnison erwartet. Sie bildeten eine Art Spalier, durch das er gehen musste, und die unverhohlen schadenfrohen Blicke, die ihn von allen Seiten trafen, ließen ihm schwallweise weitere Magensäure in die Kehle schießen. Diese Mistkerle waren froh, ihn loszuwerden! Im Hintergrund sah er auch einige Pflanzer stehen, die mindestens genauso erfreut über seine Misere waren wie alle anderen.
    Die englischen Offiziere, die das Ende des Spaliers bildeten, nahmen ihn in ihre Mitte. Zu seiner Erleichterung verzichteten sie darauf, ihm Fesseln anzulegen. Die Erniedrigung war auch so schon schlimm genug. Umringt von den Uniformierten, trottete er mit gesenktem Blick in Richtung Hafen. Nur einmal noch hob er den Kopf, als er neben sich ein Pferd schnauben hörte. Er besah sich das Reittier und runzelte die Stirn. Diesen Gaul kannte er doch! Das war die Stute von Elizabeth Haynes! Sein Blick flog hoch, und als er sah, wer im Sattel saß, blieb ihm vor Schreck die Luft weg. Auf einmal wusste er ohne jeden Zweifel, wer wirklich dafür verantwortlich war, dass er wie ein gemeiner Verbrecher von hier fortgetrieben wurde.
    » Noringham « , presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    William, hoch zu Ross, lächelte kalt auf ihn herab.
    Die Sonne ging unter, als William wieder auf Summer Hill eintraf. Er hatte sich mit der Rückkehr Zeit gelassen, weil ihm so viel durch den Kopf ging wie selten zuvor in seinem Leben. Von Schuldgefühlen gemartert, fürchtete er sich davor, Celia gegenüberzutreten. Ständig ging er im Geiste unterschiedliche Möglichkeiten durch, wie er sich am besten verhielt, wenn er sie das nächste Mal sah. Irgendwie musste er es hinkriegen, alles wieder in Ordnung zu bringen und sie davon zu überzeugen, dass er nicht der Dreckskerl war, für den sie ihn zweifelsohne seit dem Mittag hielt. Er legte sich Formulierungen zurecht, wie sie kaum vielfältiger hätten sein können, doch allesamt klangen sie schon in seiner Vorstellung völlig unpassend– entweder zu flehend oder zu sachlich oder einfach nur an den Haaren herbeigezogen.
    Die Zikaden stimmten ihr nächtliches Lied an, als er vor dem Stall absaß und dem Pferdeknecht die Zügel übergab. William widerstand dem Drang, noch einmal zur Mühle hinauszugehen und nach dem Rechten zu sehen. Er wusste, dass der Aufseher alles unter Kontrolle hatte. Nicht einmal seine mehrtägige Abwesenheit im vorletzten Monat hatte den geordneten Ablauf der Arbeiten beeinträchtigt. Die Welt hörte nicht auf zu existieren, wenn er nicht da war, und auch die Zuckermühle würde sich ohne sein unmittelbares Zutun weiterdrehen, so wie nach dem tödlichen Unfall. Der Aufseher hatte den Sklaven wegtragen lassen und Befehl zum Weiterarbeiten gegeben, und William, der kurz danach hinzugekommen war, hatte nichts Gegenteiliges angeordnet.
    Er ging zögernd auf das Haus zu. Auf der Terrasse brannte Licht. Im Schein der Laterne saß Anne. Sie las in einem Brief. Ihr Gesicht sah gelöst aus, fast glücklich. Als sie William hörte, ließ sie den Brief sinken, und ihre Miene nahm einen Ausdruck von Besorgnis an.
    » Willy! Wo warst du so lange? «
    William verzog das Gesicht. Er fühlte sich wie fünf, wenn sie ihn Willy nannte. Den Kosenamen aus Kindertagen hatte sie seit Lady Harriets Tod öfters verwendet, meist dann, wenn er etwas getan hatte, was ihr nicht passte. Anscheinend hatte er etwas an sich, das alle Frauen in seiner Umgebung dazu brachte, ihn bemuttern zu wollen.
    » In Bridgetown « , sagte er. » Ich habe zugeschaut, wie sie diesen abgefeimten Widerling abgeführt haben. Schade nur, dass Duncan und Lizzie es nicht selbst sehen konnten. Ich werde ihnen einen ausführlichen Bericht schicken. « Er

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