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Wind der Gezeiten - Roman

Wind der Gezeiten - Roman

Titel: Wind der Gezeiten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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bereits darüber nachgedacht, zusätzliche Abgaben zu ersinnen, etwa auf den Erwerb von Sklaven oder Bauholz. Oder für den Verkauf von Zucker. Ja, das würde Mittel in seine Taschen spülen, für die es sich zu leben lohnte! Dummerweise war das alles leichter gedacht als getan. Winston hätte besser gewusst, wie sich solche Pläne realisieren ließen. Das musste ihm der Neid lassen– diese kleine Zecke verstand sich aufs Intrigieren wie kein anderer.
    Müßig kratzte sich Doyle an den Hoden. Eines der Geschwüre war aufgebrochen und hatte angefangen zu bluten. Ihm schoss durch den Kopf, dass es vielleicht doch die Lues war, aber diesen Gedanken verdrängte er ganz schnell wieder. Er stand auf, zog sich ein Hemd über und ging in den angrenzenden Raum. Wo blieb der Schwarze?
    Durch die angelehnten Holzläden war Lärm von der Straße zu hören. Das Trappeln von Pferdehufen mischte sich mit lautem Stimmengewirr. Eine Männerstimme bellte ein Kommando, das Doyle nicht verstehen konnte. Befremdet drückte er die Läden einen Spalt auf und lugte hinaus. Irritiert sah er eine Gruppe von Soldaten dort stehen. Marineoffiziere in der Uniform der Parlamentsflotte. Der diensthabende Leutnant aus der Wachmannschaft der Gouverneursresidenz hatte ein Dokument entrollt, das er umständlich studierte; offenbar hatte es ihm der wichtigtuerisch dreinblickende Offizier überreicht, hinter dem sich ein schwer bewaffneter Begleittrupp aufgebaut hatte. Der Leutnant salutierte, dann machte er kehrt und kam direkt auf die Pforte der Residenz zu. Ein breites, höhnisches Lächeln stand auf seinem Gesicht. In Doyles Magen bildete sich ein Übermaß an Säure, das ihm bis in den Schlund hochstieg und ihn zum Würgen brachte. Hastig suchte er nach seiner Hose, doch es war schon zu spät– die Tür ging auf, und der Leutnant erschien.
    » Exzellenz. Oder besser: Mister Doyle. « Der Leutnant maß ihn mit herablassender Verachtung. » Ich fürchte, Ihr seid nicht länger Gouverneur. «
    » Wie? « , krächzte Doyle. » Was soll das heißen? «
    Der Leutnant reichte ihm das Dokument.
    » Hier könnt Ihr es selbst lesen. «
    Doyle starrte das Papier mit den ordentlich geschwungenen Schriftzügen und dem Siegel des Parlaments an. Er war seines Amtes enthoben. Und stand außerdem unter Arrest.
    Winston!, schoss es ihm durch den Kopf. Dieser Kerl hatte ihm das eingebrockt! Damit erklärte sich auch der Brief. Vermutlich hatte die kleine Ratte überall dort, wo es vonnöten war, Abschriften davon verteilt, um selbst als armes Willküropfer dazustehen.
    Doyle dachte fieberhaft nach. Wie hatten sie von den Landverkäufen erfahren? Damit hatte er erst nach Winstons Abreise angefangen! Also musste ein anderer es ihnen gesteckt haben. Jemand aus dem Rat? Wie auch immer, sie hatten es herausgefunden. Er war zu leichtsinnig gewesen und bekam jetzt die Quittung.
    Doyle quollen die Augen aus dem Kopf, als er einen der Anklagepunkte las: Verleumdung und Verurteilung eines Unschuldigen. Keine Frage, das ging auf Winstons Konto! Er hatte eiligst sein Fähnchen in den Wind gehängt, als sich in London abzuzeichnen begann, dass Doyles Tage als Gouverneur gezählt waren. Ob Winston auch hinter der Erpressung steckte, durch die Doyle gezwungen gewesen war, Duncan Haynes freizulassen? Womöglich hatte er schon damals geplant, ihn zu vernichten!
    Doyle knirschte mit den Zähnen. Er merkte gar nicht, dass er sich die ganze Zeit heftig zwischen den Beinen gekratzt hatte. Erst der verächtliche Blick des Leutnants brachte ihn zur Besinnung. Halb wütend, halb erschrocken starrte Doyle auf die Rinnsale von Blut, die ihm die Beine hinabliefen.
    » Was ist? « , brüllte er den jungen Offizier an.
    » Sir, Ihr solltet Euch von Euren Dienern rasch ein paar Sachen zusammenpacken lassen « , versetzte der Leutnant ungerührt. » Anderenfalls, so fürchte ich, werdet Ihr im Hemd abgeführt. «
    » Wann ist dieses Schiff der Navy eingelaufen? «
    » Vor etwas über zwei Stunden. «
    » Was? « , schrie Doyle außer sich. » Dann wussten ja schon alle außer mir auf dieser gottverdammten Insel, dass die englische Marine hier ist! Wieso wurde ich nicht früher informiert? «
    » Ihr wart… nicht abkömmlich. « Der Leutnant lächelte maliziös. » Wenn ich nun um etwas Eile bitten darf… Der Offizier da draußen ist sehr ungeduldig. Er gab Euch eine Viertelstunde. Ein Großteil davon ist schon verstrichen. «
    Siedend vor Zorn zog Doyle sich an. Zwischendurch rief er mehrmals

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